Es gab hunderte Zeugen. Dennoch ist drei Tage später noch nicht einmal ganz klar, wie viele Sikh-Attentäter es eigentlich gab.
Nun gut, man kann tatsächlich nicht alles wissen. Vielen bereitet es schon ein Problem, die nach Mitgliederzahl zweitstärkste Religion des Landes, den Islam also, in Ansätzen zu verstehen. (Nebenbei bemerkt gilt das auch für die mit Abstand stärkste Gemeinschaft; nein, eben nicht die Agnostiker, das sind die Katholiken.)
Wer könnte da nicht verstehen, dass die Polizei von den – freilich nicht erst seit gestern – in Österreich lebenden 3000 Sikh keinen blassen Schimmer gehabt hat. Zumindest bis zu dem tödlichen Anschlag in einem Wiener Tempel am Sonntag. Das Studium des Auslandsteils von Zeitungen, gar von Qualitätszeitungen oder womöglich internationalen Blättern, denen Konflikte zwischen Sikhs nicht ganz unbekannt waren, darf von Verfassungsschützern eben nicht verlangt werden. Und die Polizei hat auch jetzt zumindest partiell noch immer keinen Schimmer. Denn am Tag drei nach dem Ereignis ist offenbar noch nicht einmal zweifelsfrei klar, ob tatsächlich alle Täter von der Polizei gefasst werden konnten. Und das trotz hunderter Zeugen. Eine bis hierher alles in allem nicht ganz unbeachtliche Performance.
Jetzt geben Ermittler an, nicht einmal zu wissen, wie viele der Inhaftierten eigentlich Asylwerber sind. Zuerst hieß es, es seien drei, jetzt, es seien vier – es könnten auch alle sechs sein. Weshalb ein Abgleich der Fingerabdrücke, die Aslywerbern abverlangt werden, so schwierig ist? Man kann eben tatsächlich nicht alles wissen.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.05.2009)