Formel 1: Jules – im Zeichen der Erinnerung

FORMULA 1 - Italian GP
FORMULA 1 - Italian GP(c) GEPA pictures
  • Drucken

Die Rückkehr nach Suzuka gestaltet sich für Fahrer und Teams besonders emotional und schwierig. Im Vorjahr war der vor Kurzem verstorbene Jules Bianchi hier schwer verunglückt.

Suzuka. Die Gesichter waren versteinert, keiner wollte im schwer verregneten Suzuka an diesem Sonntag feiern. Der Unfall, der ihren Kollegen Jules Bianchi das Leben gekostet hat, hinterließ im Fahrerfeld der Formel 1 blankes Entsetzen und große Trauer. An den Ort des schrecklichen Geschehens kehrt die Königsklasse des Motorsports nun erstmals zurück.

Es ist knapp ein Jahr seit dem Unfall am 5. Oktober 2014 vergangen. Der Schrecken wurde mit jeder Minute größer, die Sorge wuchs mit jedem Tag, jeder Woche, jedem Monat. Von Weltmeister Lewis Hamilton bis zu den Formel-1-Mechanikern im Fahrerlager hofften alle auf gute Nachrichten von Bianchi. Vergeblich: Am 17. Juli dieses Jahres, neun Monate nach dem fatalen Crash, starb der beliebte und bei Ferrari als künftiger Stammpilot hoch angesehene Franzose im Alter von nur 25 Jahren. Die Kopfverletzungen, die er sich auf dem International Racing Course zugezogen hatte, waren zu schwerwiegend. Zurück bleiben Erinnerungen und ein höchst mulmiges Gefühl, wenn man auf die Strecke fährt, beschleunigt, zum Überholmanöver ansetzt oder in eine Kurve einfährt und das Auto ausbricht.

Sutil: Sein Auto hing am Kran

„Der Grand Prix in Japan wird sicher schwieriger für alle“, sagte nun der Deutsche Adrian Sutil in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur. Er hatte die Momente, die Bianchi das Leben kosteten, mitansehen müssen. Der 32 Jahre alte Gräfelfinger war mit seinem Sauber-Rennwagen vor Kurve sieben auf regennassem Asphalt vom Kurs abgekommen. Sein Auto musste geborgen werden. Bianchi raste eine Runde später mit großer Geschwindigkeit praktisch unter den Bergungskran, an dem Sutils Sauber hing. Er sagt: „Das war ein extremer Unfall, und es hat lange gedauert, bis mir diese Momente aus dem Kopf gegangen sind. Ich würde nicht sagen, dass es ein bleibender Schock ist. Es öffnet einem aber dann doch die Augen, was wir da eigentlich tun...“

Bianchi war der 26. Fahrer, der seit der ersten Formel-1-Saison 1950 in einem offiziellen Training, einer Qualifikation oder in einem Rennen tödlich verunglückte. Über 20 Jahre war es zuvor zu keinem Todesfall mehr gekommen, just die Legende Ayrton Senna oder Roland Ratzenberger galten als Mahnmal und Beispiel zugleich dafür, wie sehr die Sicherheitsmaßnahmen seit dem tragischen Wochenende von Imola 1994 gegriffen haben. Ein Motorsport, bei dem weit über 300 km/h erreicht werden, galt dank Technik, Elektronik, Carbon-Cockpits, Nackenstützen, großen Auslaufzonen etc. als sicher.

Doch wie viel Risiko muss, kann oder darf sein? Draufgänger sind in der Formel 1 fehl am Platz, Kalkül paart sich mit Können. Mercedes-Pilot Nico Rosberg sagt: „Speed ist der Reiz. Das Duell mit den anderen und die Perfektion suchen.“ Risiko brauche er nicht. Ist ein Gefahrenpotenzial bei Höchstgeschwindigkeiten über 300 Stundenkilometern aber gänzlich auszuschließen?

Der Internationale Automobilverband FIA reagierte nach dem Unfall Bianchis schnell und führte die sogenannte virtuelle Safety-Car-Phase ein, in der die Geschwindigkeit der Rennwagen automatisch gedrosselt wird. Untersuchungen einer eigens durch die FIA einberufenen Kommission hatten ergeben, dass Bianchi in dem Gefahrenbereich die Geschwindigkeit nicht wie gefordert angepasst hatte.

Der Tod des ehemaligen Formel-1-Piloten Justin Wilson im vergangenen August in der Indy-Car-Serie, und damit nur rund einen Monat nach Bianchi, hat auch die Diskussion um geschlossene Cockpits intensiviert. Die FIA prüft entsprechende Ideen. „Wir dürfen nicht noch mal vor so einer Situation stehen“, betonte Präsident Jean Todt am Wochenende nach Bianchis Unfall. Diese Mahnung wird allen in Erinnerung kommen, wenn sie am Donnerstag auf dem Suzuka International Race Course ankommen und ein Pilot sehr, sehr schmerzlich vermisst wird: Jules Bianchi. (fin/dpa)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.09.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Lewis Hamilton signiert eine Kappe.
Sport

Formel 1: Mercedes-Triumph in Japan

Es ist der achte Saisonsieg von WM-Spitzenreiter Lewis Hamilton. Er gewinnt vor Nico Rosberg und Sebastian Vettel.
FORMULA 1 - Japanese GP
Motorsport

Formel 1: Pole für Rosberg in Japan, heftiger Unfall von Kwjat

Der Deutsche Nico Rosberg holte am Samstag wie auch schon vor einem Jahr in der Qualifikation zum GP von Japan die Pole-Position.
Daniil Kwjat
Motorsport

Formel 1: Russe Kwjat fährt Trainingsbestzeit in Suzuka

Red-Bull-Pilot Daniil Kwjat markierte auf regennasser Strecke vor dem Mercedes-Duo Nico Rosberg und Lewis Hamilton die Bestzeit.
Motorsport

Formel 1: „Kein Geld für minderwertige Ware“

Red-Bull-Motorsportchef Helmut Marko hat seine Ausstiegsdrohung erneuert. Er beruft sich auf Dietrich Mateschitz, der nicht mehr gewillt sei, eine weitere derartige Saison mitzumachen.
Motorsport

Formel 1: Lotus-Mitarbeiter dürfen nicht in Team-Pavillon

In Suzuka ist dem Lotus-Team der Zugang zum Team-Pavillon verwehrt worden. Der Rennstall leidet unter Geldnot, Rechnungen stehen noch aus.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.