Die falschen Behauptungen des Professor Muhr

Ja zur Kritik, aber diese muss auf nachvollziehbaren Quellen und Daten beruhen.

Rudolf Muhr behauptet in seinem Gastkommentar „Sprachforschung: Zurück ins 19.Jahrhundert...“ („Die Presse“ vom 22.9.) im Namen des Vorstands der Gesellschaft Österreichisches Deutsch über die Entscheidungsverfahren des Wissenschaftsfonds (FWF) zum Spezialforschungsbereich (SFB) „Deutsch in Österreich“ das Folgende: Die Entscheidung wäre „ohne (a) das übliche Peer-Reviewing, (b) ohne Befragung von einschlägig auf diesem Gebiet ausgewiesenen Experten in Österreich, (c) ohne eine gründliche Vorstudie – etwa im Delphi-Format –, die die zu erforschenden Desiderata eruiert, zustande gekommen... und (d) ohne eine öffentliche Ausschreibung, die eine Bewerbung anderer Institutionen ermöglicht hätte...“ Diese Behauptungen sind nicht nur nachweislich falsch, Herr Muhr hätte sich darüber hinaus sehr einfach über die Website des FWF die korrekten Informationen beschaffen können.

Wie alle anderen Forschungsprojekte des FWF werden Spezialforschungsbereiche (SFBs) von internationalen Fachgutachtern beurteilt. Dieses Prozedere ist in den Prinzipien des Entscheidungsverfahrens transparent beschrieben. Darin wird unter anderem festgehalten, dass Gutachter und Gutachterinnen aus Österreich nicht involviert werden, um sowohl positive wie negative Befangenheiten soweit als möglich zu minimieren.

Aufwendige Begutachtung

Das Programm SFB wird einmal im Jahr ausgeschrieben, und Konsortien aus Wissenschaftlern aller Fachdisziplinen in Österreich können sich mit einem Thema ihrer Wahl bewerben. Der FWF hält sich dabei in jeder Hinsicht an das Bottom-up-Prinzip, er gibt weder Themen noch beteiligte Personen vor! Der Begutachtungsaufwand bei SFBs ist aufgrund der vergleichsweise hohen Förderungssummen viel aufwendiger als bei anderen Programmen: Zunächst wird ein Konzept eingereicht, das von internationalen Fachexperten begutachtet wird. Auf Basis dieser Gutachten werden die besten Konzepte vom Kuratorium des FWF eingeladen, einen Vollantrag zu verfassen, der wiederum von internationalen Gutachtern schriftlich beurteilt wird. Anschließend findet mit diesen Gutachtern und den Antragstellern noch ein Hearing statt.

Nicht alles wird gefördert

Nach einer abschließenden Bewertung der Gutachter entscheidet das Kuratorium des FWF, welche Anträge gefördert werden können. Aufgrund begrenzter Förderungsmittel können nicht immer alle als ausgezeichnet beurteilten Anträge gefördert werden. Somit zählen die SFBs zu den kompetitivsten Programmen des FWF.

Genau diesem Verfahren wurde auch der SFB „Deutsch in Österreich“ unterzogen. Der SFB hat aufgrund einer einheitlich exzellenten Begutachtung sowohl bei der Evaluierung des Konzepts als auch des Vollantrags die Förderung erhalten.

Wenn Herr Muhr und der Vorstand der Gesellschaft Österreichisches Deutsch eine andere wissenschaftliche Position vertreten als die Geförderten, steht es ihnen nicht nur frei, ihre Argumente in der internationalen Fachliteratur vorzubringen, sondern sie können dafür auch über die verschiedenen Förderungsprogramme des FWF mit einem Thema ihrer Wahl die entsprechenden Mittel beantragen. Statistisch gesehen stehen die Chancen in den Sprach- und Literaturwissenschaften nicht schlecht.

Es ist die Essenz von Wissenschaft, dass Thesen kritisiert und widerlegt werden können und müssen. Zur Redlichkeit in der Wissenschaft gehört es aber vor allem, dass Kritik auf nachvollziehbaren Quellen bzw. Daten beruht.

Univ.-Prof. Dr. Christine Mannhalter ist Professorin für Molekulare Diagnostik an der Med-Uni Wien. Seit August ist sie Interimspräsidentin des Wissenschaftsfonds FWF.


E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.09.2015)

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