Generation Harry Potter trifft Karl May

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Vea Kaiser und Konrad Paul Liessmann über Humboldt, Platon und Betragensnoten.

Wien. Offiziell war es ein „Wiener Bildungsgespräch“ zum Thema „Kultur Technik Lesen“ – tatsächlich vielmehr ein „intellektuelles Verkuppeln“, wie „Presse“-Chefredakteur Rainer Nowak konstatierte: Vor (viel) Publikum lernten einander Schriftstellerin Vea Kaiser und Philosoph Konrad Paul Liessmann auf Einladung des Wiener Stadtschulrats und der „Presse“ kennen.

Den Humanismus sehen die beiden in Konjunkturphasen. „Es gibt Zeiten, in denen man glaubt, auf seine Wurzeln verzichten zu können“, so Liessmann. Kaiser pflichtete bei: „Wir haben uns von Humboldt und seiner Bildungsidee entfernt.“ Liessmanns Wunsch vom Schulversuch, bei dem Ablenkungen à la Facebook und Tablet verboten sind, teilt Kaiser indes nicht. Sie verweist auf technische Innovationen in der Antike: „Platon hatte Angst davor, dass Homer nicht mehr auswendig gelernt wird, weil jeder schreiben kann.“ Platon habe recht gehabt, konterte Liessmann: „Heute steckt alles in einer Cloud oder Festplatte, nichts mehr im Kopf.“ Nachholbedarf sieht man bei der Vermittlung von Literatur durch die Schule. Wer von Literaturlisten und Interpretationen erschlagen werde, lese später freiwillig nicht. Als Teil der „Harry Potter“-Generation ist Kaiser überzeugt: „Egal, was euch gefällt, es ist gut, dass euch etwas gefällt.“ Liessmanns Liebe zur Literatur kam wiederum durch Karl May zustande. Gelesen haben sich beide auch gegenseitig. Kaiser verdankt Liessmann sogar eine (schlechte) Betragensnote: Sie las sein Buch „Vom Denken“ während des Psychologieunterrichts. (red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.09.2015)

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