Zwei Drittel jener, die zumindest einen Teil der verkehrsberuhigten Mariahilfer Straße besucht haben, zeigen sich sehr oder eher zufrieden.
Seit Ende Juli ist der viel debattierte Umbau der Mariahilfer Straße in eine Fußgänger- bzw. Begegnungszone abgeschlossen. Die Neugestaltung kommt bei den Wienern mehrheitlich gut an. Zwei Drittel jener, die zumindest einen Teil der neuen Mariahilfer Straße bereits besucht haben, zeigen sich sehr oder eher zufrieden, heißt es in einer aktuellen Studie des SORA-Instituts im Auftrag der Stadt Wien.
Die Umfrage sieht auch bei jenen Wienern, die die umgestaltete Shoppingmeile noch nicht besucht haben, einen Überhang der positiven Antworten (57 Prozent). Noch etwas knapper fällt die Akzeptanz des Shared-Space-Prinzips in den beiden Begegnungszonen aus. 55 Prozent der insgesamt 1117 Befragten beurteilten die gegenseitige Rücksichtnahme der Verkehrsteilnehmer als sehr oder ziemlich gut.
Ohne Beamtendeutsch geht es auch am Ende nicht. Mit der „Schlusssteinlegung“ am 31. Juli 2015 wurde die zweite Begegnungszone – ab Höhe Kirchengasse stadteinwärts – unter anderem von der grünen Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou (Bild) eröffnet. Die Mariahilfer Straße ist damit offiziell verkehrsberuhigt, gefeiert wurde am 1. August.Text: Mirjam Marits (c) Philipp Splechtna / Die Presse Geglückt ist der symbolische Akt übrigens erst im zweiten Anlauf. Der erste "Schlussstein" löste sich zu früh und ging zu Bruch. (c) Philipp Splechtna Viele Debatten über Sinn und Unsinn der Neugestaltung wurden seit dem Beschluss der Verkehrsberuhigung im rot-grünen Koalitionsabkommen von 2010 geführt. 25 Mio. Euro für das Prestigeprojekt der grünen Verkehrsstadträtin, Maria Vassilakou, ausgegeben. Und jetzt? Was funktioniert gut, wo gibt es noch Handlungsbedarf? Archivbild: Spatenstich am 19. Mai 2014 APA/ROLAND SCHLAGER Als Fußgänger hat man auf der neuen Mariahilfer Straße viel Platz, das Flanieren hat eine neue Qualität bekommen, vor allem in der autofreien, 450 Meter langen Fußgängerzone (zwischen Kirchen- und Andreasgasse). APA Das wissen auch jene zu schätzen, die mit Skate-, Longboard oder Roller unterwegs sind. Auch wenn es manchmal unübersichtlich wirkt, funktioniert die Shared-Space-Idee. (c) Philipp Splechtna / Die Presse Wer zum Shoppen hier ist, geht entlang der Auslagen, wer es eilig hat, kommt in der Straßenmitte zügig voran (zumindest bis das Weihnachtsgeschäft losgeht). In den Begegnungszonen geht man generell eher am Straßenrand, immerhin ist mit dem einen oder anderen Auto zu rechnen. Der viele freie Platz zieht aber auch Obdachlose und Spendenkeiler an, die seither vermehrt auf der Straße sichtbar sind. Bloomberg Mehr als 80 Sitzgelegenheiten ohne Konsumzwang sind hier entstanden. Was die verschiedenen, recht hübschen Sitz- und Liegemöbel eint: Sie sind fast alle durchwegs besetzt. Weil es hier jetzt (keine Autos!) so angenehm ruhig ist, bleiben viele auch gern etwas länger sitzen. Gern mehr davon – an heißen Tagen wären auch mehr Sonnenschirme (und mehr Grün!) wünschenswert. (c) Philipp Splechtna / Die Presse Ein Wildwuchs an Gastgärten wurde der neuen Mariahilfer Straße vorhergesagt – und tatsächlich gibt es mittlerweile an die 35. Für die es aber ausreichend Platz gibt. (In der Adventzeit sind sie dann ohnehin weg). Erfreulicherweise halten sich nicht alle an den (faden) grau-braunen Einheitslook. Clemens Fabry / Die Presse Die Bodenmarkierungen, die anfangs für viel Verwirrung gesorgt haben, sind nun endlich klar verständlich: Ladezone, Taxi- ... (c) Philipp Splechtna / Die Presse ... und Behindertenparkplätze sind mit unübersehbar großen Bodenmarkierungen und -beschriftungen versehen. Die Zeit der schlechten Ausreden ist vorbei. (c) Philipp Splechtna / Die Presse Für Autofahrer – und das ist durchaus Teil der grünen Verkehrspolitik – ist es unattraktiv geworden, zum Einkaufen mit dem Pkw auf die Mariahilfer Straße zu kommen. Wer sich mit dem Auto in die Gegend wagt, ist in den Seitengassen einem Einbahn-Wirrwarr ausgesetzt. Viele Parkplätze sind mittlerweile zudem Anrainern vorbehalten. (c) Photographer: Philipp Splechtna Queren lässt sich die Mariahilfer Straße überhaupt nur in Westbahnhof-Nähe (von der Kaiserstraße in die Stumpergasse und von der Schottenfeld- in die Webgasse; Bild). (c) Philipp Splechtna / Die Presse All das hat dazu beigetragen, dass das befürchtete höhere Verkehrsaufkommen in Mariahilf und Neubau weitgehend ausgeblieben ist. In Neubau berichtet Bezirksvorsteher Thomas Blimlinger (Grüne; im Bild mit Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou bei der Schlusssteinlegung am Freitag) von spürbar weniger Verkehr. Nur ein Abschnitt der Seidengasse sei stärker belastet, hier arbeitet man an einer Lösung. Im sechsten Bezirk sind Linien- und Schmalzhofgasse mehr vom Pkw-Verkehr belastet als früher. (c) Philipp Splechtna / Die Presse Auch für Radfahrer ist die Mariahilfer Straße eine mäßig günstige Route geworden, um rasch von A nach B zu kommen. Mit Ausnahme einiger waghalsiger Radfahrer kommt man mit dem Fahrrad zu Stoßzeiten ob der vielen Fußgänger nur langsam voran. Viele weichen auf Seitengassen aus. In Neubau will Bezirkschef Blimlinger beobachten, ob eine rasche Verbindung für Radfahrer notwendig ist. Wenn ja, könnte die Lindengasse Radspuren in beide Richtungen bekommen. (c) Clemens Fabry / Die Presse Die Händler waren von Anfang an wenig begeistert von der Verkehrsberuhigung. Elektro- und Möbelhändler hätten enorme Rückgänge zu verbuchen, weil „man einen Flachbildschirm nicht mit der U-Bahn heimbringt“, sagt Erwin Pellet vom Einkaufsstraßen-Management. Kleinere Geschäfte hätten ihre Stammkunden, die während der Bauarbeiten ausblieben, aber zum Teil zurückgewonnen. Problematisch seien die Lieferzeiten (nur bis 13 Uhr). Gerüchte um eine angebliche Schließung des Generali Center (Bild) heben die Stimmung auch nicht gerade. (c) Philipp Splechtna / Die Presse Ursprünglich hätte die Buslinie 13A durch die Fußgängerzone fahren sollen. Doch die Busfahrer legten sich quer: zu riskant. Die Ausweichroute durch Seitengassen in Mariahilf ist so umständlich wie zeitraubend – und durch die Begegnungszone muss der 13A trotzdem und in Zeitlupe fahren: Den Passagieren verlangt das bisweilen Geduld ab, den Busfahrern viel Konzentration. Mit Eröffnung der Begegnungszone wird sich die Lage kaum entspannen. (c) Philipp Splechtna / Die Presse Was kann die neue Mariahilfer Straße? Zur Erinnerung: Über die Umsetzung des Projekts wurde mittels Bürgerbefragung im 6. und 7. Bezirk entschieden. Damals votierten 53 Prozent der Teilnehmer mit "Ja". SORA erhob, dass inzwischen 71 Prozent der Mariahilfer und Neubauer dafür stimmen würden. Würde man alle Wiener befragen, ergebe sich ebenfalls eine Zustimmung - wenn auch eine geringere in der Höhe von 62 Prozent.
(APA)
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