Einkaufen über digitale Grenzen hinweg

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Onlinehandel. Die Kommission will bestehende Barrieren im Internetgeschäft endlich beseitigen.

Wien. Es geht schneller und ist bequemer als der Gang ins Geschäft: Das Einkaufen im Internet erfreut sich in der europäischen Bevölkerung großer Beliebtheit. Laut EU-Kommission wächst der Onlinehandel seit Jahren kontinuierlich; und der Trend setzt sich weiter fort: Im Jahr 2014 kaufte bereits die Hälfte aller Verbraucher in den Mitgliedstaaten der Union über das World Wide Web ein – davon allerdings nur 15 Prozent bei einem Händler aus einem anderen EU-Staat.
Das ist der Kern des Problems, den die Kommission zu bekämpfen trachtet: Denn der europäische Binnenmarkt funktioniert im digitalen Bereich noch nicht so, wie er nach Wünschen der Brüsseler Behörde sollte. „In der EU gibt es nach wie vor erhebliche Hindernisse für den grenzüberschreitenden elektronischen Handel“, monieren mit dem Thema befasste Kommissionsmitglieder oft. Ziel sei aber ein digitaler Binnenmarkt „ohne Zäune und Mauern“. Die Menschen müssten sich im Netz ebenso frei über Grenzen hinweg bewegen können wie in der Wirklichkeit, fordert der für Digitales zuständige Vizepräsident Andrus Ansip. Daher sollten vor allem innovative Unternehmen stärker als bisher unterstützt werden, um nicht „in nationalen Märkten gefangen“ zu bleiben.

Preisgestaltung nach Wohnort

Auch Digitalkommissar Günther Oettinger ist der Fleckerlteppich der 28 Mitgliedstaaten ein Dorn im Auge. Er wünscht sich beim grenzüberschreitenden Onlinehandel besonders Erleichterungen für Klein- und Mittelbetriebe (KMU): Dazu gehörten in erster Linie gemeinsamer Verbraucherschutz und -Vertragsvorschriften sowie eine Kostensenkung bei den Paketzustelldiensten, da die Gebühren im Auslandsverkehr heute noch weit teurer sind als im Inlandsverkehr.
Die Harmonisierung der Onlinekäufe soll mittels eines 16-Punkte-Papiers, das die Kommission jüngst vorlegte, vorangetrieben werden. Dabei dürfte der Umstieg auf das Auslandsgeschäft vor allem kleinen Anbietern erleichtert werden – und zwar unter anderem mittels Vereinfachung der Mehrwertsteuervorschriften. Der wirtschaftliche Zugewinn eines digitalen Binnenmarkts wäre laut Ansip jedenfalls enorm: Durch seine Nichtexistenz gingen der EU jährlich etwa 415 Milliarden Euro verloren, rechnete er vor.
Doch die Ziele der Kommission nützen wenig, wenn in der Realität weiter Barrieren für einen umfassenden digitalen Binnenmarkt bestehen: Große Onlineverkäufer würden den grenzüberschreitenden Handel bewusst einschränken und den Verbrauchern so zu hohe Preise verrechnen, lautet der Vorwurf. Sollte sich dieser erhärten, will Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager gegen die betroffenen Unternehmen im Rahmen des EU-Kartellrechts vorgehen.
Ein weiteres viel kritisiertes Hindernis für den elektronischen Handel ist ein Mechanismus, den wohl jeder, der schon einmal ein Video von einer ausländischen Website herunterladen wollte, kennt: Das sogenannte Geoblocking verhindert nämlich, dass die Seite eines anderen EU-Landes überhaupt aufgerufen werden kann. „Ich hasse diese Praxis aus tiefstem Herzen“, gestand Ansip, der künftig nur noch „gerechtfertigtes Geoblocking“ zulassen will. Dazu zählt beispielsweise das Glücksspiel, das in manchen Ländern erlaubt ist, in der Mehrzahl der 28 Mitgliedstaaten jedoch nicht.
Die Forderungen nach einer Erleichterung des grenzüberschreitenden Onlinehandels sind freilich nicht neu: Eine „fakultative gemeinsame Vertragsrechtsregelung und ein einheitlich hohes Verbraucherschutzniveau in der EU“ wünschten sich schon 2011 die damalige Kommissarin für Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft, Viviane Reding, und EU-ÖVP-Delegationsleiter Othmar Karas in einem Beitrag für diese Zeitung.

Vorherrschaft der USA

Ein gesamteuropäisches Kaufrecht soll auch die Vorherrschaft der USA eindämmen: Dort sind ja bekanntermaßen die meisten Online-Giganten zu Hause: Amazon, eBay und zahlreiche weitere Anbieter sind wohl jedem ein Begriff. Und sie beherrschen mit 57 Prozent Anteil auch den europäischen Markt. Dagegen ist das Kontingent jener Internetunternehmen aus der EU, die grenzüberschreitend verkaufen, mit vier Prozent verschwindend gering.
Zu optimistisch, dass alsbald eine Kehrtwende erfolgen könnte, sollte man allerdings nicht sein. Denn viele digitale Reformen auf dem europäischen Markt können nur nach einer Einigung auf eine neue Datenschutzvereinigung durchgeführt werden. Ein Thema, über das die Mitgliedstaaten seit Langem diskutieren – und das immer weiter verzögert wird.

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