Gefährliche Kuscheltiere und gefälschte Medikamente

Viagra-Tabletten
Viagra-Tablettenwww.BilderBox.com
  • Drucken

Produktsicherheit. Die EU-Staaten ziehen Jahr für Jahr tausende Produkte aus dem Verkehr. Manche sind ein Sicherheitsrisiko, andere sind gefälscht.

Brüssel/Wien. Günstig sind sie ja, doch nicht alle Produkte, die von Asien aus in den europäischen Markt geliefert werden, sind auch sicher. Vor allem Spielzeug weist relativ oft Mängel oder geringe Sicherheitsstandards auf, die innerhalb der EU nicht mehr akzeptiert werden. Wenn etwa bunte Schwimmreifen angeliefert werden, die über kein Sicherheitsventil verfügen, werden sie aus dem Verkehr gezogen. Wenn Kuscheltiere mit minderer Qualität Fasern und Augen verlieren, die bei Kleinkindern die Gefahr des Erstickens erhöhen, dürfen sie nicht länger verkauft werden. Insgesamt 2435 Produkte wurden allein 2014 aus dem EU-Binnenmarkt entfernt. Die meisten von ihnen, 64 Prozent, kamen aus China, 14 Prozent stammten von europäischen Herstellern.
Taucht ein gefährliches Produkt in einem der Mitgliedstaaten auf, muss es in eine gemeinsame Datenbank (Rapex – Rapid Alert System for non-food dangerous products) aufgenommen werden. In der Folge wird es auch von allen anderen Mitgliedstaaten aus dem Verkehr gezogen. Wird die Produktion daraufhin nicht verändert, wird ein Importverbot über die beanstandete Ware verhängt. Neben Spielwaren sind oft auch elektrische Geräte, Textilien und Modeartikel betroffen.
Meist sind es die verwendeten Materialien, von denen die Gefahr ausgeht. So werden beispielsweise bei Produkten für Kinder Weichmacher verwendet, die krebserregende Inhaltsstoffe enthalten. Ähnliches gilt für Textilien und Lederwaren, die beispielsweise Hautreizungen verursachen. Aber auch andere Sicherheitsmängel werden verzeichnet. Etwa bei Elektrogeräten, die zu stark erhitzen oder einen Stromschlag verursachen.
Die Zahl der entdeckten Fälle steigt kontinuierlich von Jahr zu Jahr. Die EU-Kommission führt dies nicht auf höheres Risiko zurück, sondern auf bessere Kontrollen. Mittlerweilen beteiligen sich neben den 28 EU-Mitgliedstaaten auch Norwegen, Island und Liechtenstein am europäischen Schnellwarnsystem Rapex. Einen Zuwachs an problematischen Produkten gibt es aber bereits seit einigen Jahren im Onlinehandel.
Letzterer hat auch ein anderes Problem verstärkt. Denn über das Internet werden immer öfter gefälschte Markenprodukte gehandelt. Waren es einst vor allem Nobelmarken wie Louis Vuitton oder Prada, die illegal nachproduziert und dann verkauft wurden, so sind es heute auch heikle Produkte wie Kosmetika und Medikamente.
In der EU sind alle Mitgliedstaaten verpflichtet, gegen Produktpiraterie vorzugehen. Die Fälschungen verursachen nicht nur für den Produzenten des Originals einen unlauteren Wettbewerb, sie kosten auch Arbeitsplätze in Europa und Umsatzeinbußen. Allein im Bereich Kosmetika und Körperpflege gingen laut Schätzungen der EU-Kommission bereits EU-weit 79.000 Arbeitsplätze durch Produktpiraterie verloren – wobei etwa die Hälfte dieser Jobs den Einzelhandel betrifft. Den Produzenten von Düften, Schönheitsprodukten und Make-up gehen 7,8 Prozent ihres Umsatzes durch Fälschungen verloren, das entspricht 4,7 Milliarden Euro an Einnahmenverlusten für die Branche pro Jahr.
Einen Boom verzeichneten über Jahre Medikamentenfälschungen. Sie wurden vornehmlich online verkauft. Allein in Österreich sind pro Jahr zwischen 400 und 1000 Sendungen mit gefälschten Medikamenten durch den heimischen Zoll abgefangen worden. Hauptherkunftsländer waren Singapur und Indien. Problematisch war, dass diese gefälschten Medikamente oft nicht geprüft waren und teilweise auch Inhaltsstoffe enthielten, die sich im Originalmedikament nicht wiederfinden. So tauchten in der EU potenzstimulierende Arzneien wie Viagra auf, die gesundheitsschädigende Substanzen aus dem Straßenbau enthielten. Durch Aufklärungsarbeit der EU-Regierungen ist es mittlerweile gelungen, die Bestellungen von Medikamenten aus nicht europäischen Ländern in den vergangenen Jahren wieder zu reduzieren. Dennoch bleibt das Problem bestehen.
Mit China, von wo nach wie vor die meisten gefälschten Produkte in die EU geliefert werden, hat die EU-Kommission einen gemeinsamen Aktionsplan erarbeitet. Um die Produktpiraterie einzudämmen wurde unter anderem ein enger Informationsaustausch von Häfen und Flughäfen vereinbart. Laut Vertretern der EU-Kommission habe die enge Zusammenarbeit bereits erste Erfolge gezeigt. China hat großes Interesse daran, dass seine Waren im EU-Binnenmarkt als vertrauenswürdig eingestuft werden. (wb)

Auf einen Blick

Verbraucherschutz. Der gemeinsame Binnenmarkt bedingt einheitliche Rechtsvorschriften für Verbraucher. Immerhin werden 57 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der EU durch Verbraucherausgaben erwirtschaftet. Der Binnenmarkt sorgt durch größeren Wettbewerb zwar für relativ faire Preise, aber Konsumenten sollen auch motiviert werden, grenzüberschreitend einzukaufen. Die EU-Institutionen haben deshalb gemeinsam mit den Mitgliedstaaten zahlreiche Standards entwickelt, die den Verbrauchern Sicherheit, einheitliche Garantien und weniger versteckte Kosten bringen. Im Lebensmittelbereich, aber auch bei Spielzeug steht die Sicherheit der Produkte im Vordergrund.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Da kann noch kräftig reduziert werden
Europa

„Westlicher Lifestyle muss sich ändern“

Interview. Marion Huber-Humer vom Institut für Abfallwirtschaft über Recycling und Möglichkeiten zur Müllreduktion.
Damit Europa beim Smog nicht Asien wird
Europa

Wie der EU-Binnenmarkt für saubere Luft sorgen soll

Klimaschutz. Kernelement des EU-Klimaschutzes ist der Handel mit CO2-Emissionszertifikaten. Nachdem das Angebot zuletzt die Nachfrage deutlich überstiegen hat, soll das Volumen der verfügbaren Verschmutzungsrechte ab 2021 um jährlich 2,2 Prozent gekürzt werden.
Wäscht weiß - aber auch stromsparend?
Europa

EU verbannt Stromfresser im Namen der Umwelt

Ökodesign-Richtlinie. Bestimmte ökologische Anforderungen an energierelevante Produkte sollen den CO2-Ausstoß verringern.
Europa

Die Planungsarbeiten für ein grünes Europa

Umweltschutz. Brüssel verfügt über mehrere umweltpolitische Hebel – darunter auch umstrittene wie die Chemikalien-Verordnung REACH.
Symbolbild Recycling
Europa

Neuer Anlauf zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft

Recycling. Die EU-Kommission hat das Projekt einer Kreislaufwirtschaft gestoppt. Nun wächst der Druck aus dem Europaparlament und aus Mitgliedstaaten, die Ziele für mehr Ressourceneffizienz und für den Abbau von Mülldeponien in einem Neuanlauf noch ehrgeiziger zu formulieren.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.