Brüssel versucht, die Verbraucher bei Laune zu halten

Schutz für Konsumenten. Zwei Jahre Garantie, Entschädigung für verspätete Flüge, sinkende Roamingkosten. In der EU wird Verbrauchern einheitlicher Schutz gewährt. Warum? Weil sie eine Wirtschaftsmacht sind.

Wien/Brüssel. Europas Konsumenten sind eine Wirtschaftsmacht. Sie verfügen vielleicht über keine mächtigen Lobbyisten in Brüssel, so wie einige wichtige Industriebetriebe. Aber sie haben von Natur aus ein Schutzbedürfnis, das der EU-Kommission nicht nur aus Idealismus am Herzen liegt. 57 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) der Europäischen Union werden durch den täglichen Einkauf, die Inanspruchnahme von Dienstleistungen der europäischen Verbraucher, erwirtschaftet. Sie sind ein weit bedeutenderer Wirtschaftsfaktor als etwa internationale Abnehmer von Exportgütern.
Um sie bei Laune zu halten und ein möglichst reibungsloses Einkaufen in der gesamten EU garantieren zu können, entwickelt die EU-Kommission das Verbraucherrecht ständig weiter – passt es technischen Entwicklungen und globalen Herausforderungen an. Ziel sind einheitliche Regeln, die das Einkaufen im Internet und in Geschäften möglichst sicher machen sollen.
Natürlich sind auch Verbraucherrechte in der EU ein Kompromiss. Fallen sie zu ehrgeizig aus, gibt es Widerstand von den betroffenen Erzeugern. Werden sie verwässert, schlagen Konsumentenschützer und ihre politischen Vertreter Alarm.
Einige Beispiele für europaweite Verbraucherregeln:

► Lebensmittelsicherheit. Für landwirtschaftliche Betriebe ist sie eine zusätzliche Last. Doch die EU-Kommission hat zahlreiche Hygienevorschriften entwickelt, die Lebensmittel für den Verbraucher sicherer machen sollen. Brüssel hat Kontrollen für die gesamte Produktions- und Vertriebskette vorgeschrieben, um eine verantwortungsvolle Herstellung von tierischen und pflanzlichen Produkten zu erreichen. Sämtliche chemische Zusatzstoffe, die beispielsweise für die Konservierung eingesetzt werden, müssen durch unabhängige wissenschaftliche Prüfungen freigegeben werden. Die EU-Lebensmittelagentur EFSA in Parma kontrolliert laufend Lebens- und Futtermittel. Dadurch soll eine Gefährdung der Gesundheit europäischer Verbraucher ausgeschlossen werden. Die EFSA beschäftigt sich beispielsweise mit Pestiziden in der Nahrungskette, mit den Auswirkungen von genmanipulierten Saaten und weiteren kontroversen Themen im Zusammenhang mit der Lebensmittelerzeugung.

► Flug- und Fahrgastrechte. Mit Zunahme des Reiseverkehrs innerhalb des Binnenmarkts kam es auch zu einem Wildwuchs an missverständlichen Preisangeboten und Betrieben, die eher auf das schnelle Geld als auf die Qualität ihres Service achteten. Die EU-Kommission hat deshalb ein System von Entschädigungen eingeführt, wenn Kunden von Flug-, Bahn-, oder Busgesellschaften mit langen Verspätungen oder gar mit Annullierungen konfrontiert sind. So haben Fluggäste bei einer dreistündigen Verspätung ihres Fluges Anspruch auf eine Entschädigung in Höhe von 250 bis 600 Euro. Im Falle einer Annullierung haben sie das Recht auf eine alternative Beförderung. Bahnkunden haben ebenfalls Anspruch auf Entschädigung. Bei einer 60-minütigen Verspätung muss der Fahrgast 25 Prozent des Ticketpreises zurückerhalten. Dauert die Verspätung 120 Minuten oder länger, müssen laut EU-Regeln 50 Prozent zurückerstattet werden.

► Roaming. Ein attraktiver Binnenmarkt verlangt auch nach einheitlichen Telefonkosten ohne grenzüberschreitende Gebühren für alle Konsumenten. Deshalb bemüht sich die EU-Kommission seit 2007 um eine Reduzierung von Roaming für mobiles Telefonieren und Internetsurfen. Heute zahlen Mobilkunden, die in einem anderen EU-Land SMS verschicken oder Gespräche führen, bereits um 80 Prozent weniger als 2007. Ziel der EU-Kommission und des Europaparlaments ist aber die völlig Abschaffung von Roamingkosten.
► Sicheres Spielzeug. Das in der EU verkaufte Spielzeug stammt zwar großteils aus asiatischen Ländern, muss aber dennoch hohe Sicherheitsstandards erfüllen. Waren für Kinder, die den von allen EU-Staaten gemeinsam beschlossenen Kriterien nicht entsprechen, dürfen auf dem Binnenmarkt nicht verkauft werden. Dabei geht es sowohl um den altersgerechten Aufbau (keine Kleinteile für Kleinkinder) als auch um die chemische Zusammensetzung und eine schwere Entflammbarkeit der verwendeten Materialen.

► Garantie und Rückgaberecht. Für alle Waren, die innerhalb der EU gekauft werden, gilt eine Mindestgarantie von zwei Jahren. Funktioniert eine Ware nicht, muss sie in dieser Frist gratis repariert oder ersetzt werden. Für Waren, die im Internet gekauft wurden, gilt EU-weit ein Rückgaberecht innerhalb von 14 Tagen nach Kauf. Gleiches gilt für Haustürgeschäfte und den Versandhandel. Ausgenommen sind Flugtickets oder Konzertkarten für fixe Termine.

► Sicherheitsstandards für elektrische Geräte. Auf dem EU-Binnenmarkt dürfen nur sichere Produkte vertrieben werden. Mit dem CE-Konformitätszeichen erklären die Hersteller, dass ihre Ware alle wichtigen EU-Sicherheitskriterien erfüllt. Diese Standards müssen wegen technischer Entwicklungen allerdings immer wieder angepasst werden. So wurde beispielsweise 2011 eine Regelung zum Gehörschutz bei MP3-Playern eingeführt.

► Kosmetika ohne Tierversuche. Eine Sicherheitsregel der EU zielt nicht direkt auf Verbraucher ab, sondern auf den Tierschutz. Seit 2013 sind Tierversuche für die Entwicklung und Herstellung von Kosmetika nicht mehr erlaubt. Außerdem dürfen auch Kosmetika nur Inhaltsstoffe enthalten, die für Konsumenten nicht gesundheitsschädigend sind beziehungsweise keine Allergien auslösen können.

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