Produktpolitik. Europaabgeordneter Peter Liese (EVP) plädiert für bessere Zusammenarbeit zwischen EU-Parlament und Kommission.
Die Presse: Wie verstehen Sie die Rolle des Europaparlaments in der Gestaltung der Produktpolitik? Ist das Parlament der Anwalt des Konsumenten, eine Anlaufstelle für Unternehmen oder ein Aufsichtsorgan über die EU-Kommission?
Peter Liese: Das Parlament ist in vielerlei Hinsicht ein Antreiber. Wir haben die Kommission dazu gedrängt, bei Geräten mit hohem Stromverbrauch, die sich ohne Komfortverlust ändern lassen, Standards einzuführen, zum Beispiel, was die Stand-by-Funktion anbelangt. Natürlich gibt es unterschiedliche Auffassungen. Ich sehe mich in der Rolle des Vermittlers, anderen Kollegen kann es nicht schnell genug gehen.
Im Idealfall gibt das Europaparlament also in der Produktpolitik das Tempo vor und versucht, Initiativen voranzutreiben, die sonst in der bürokratischen Pipeline stecken bleiben könnten.
Das war zumindest jahrelang so. Im Moment machen wir einen Prozess der Neuorientierung durch, weil es an einigen Stellen Diskussionen gegeben hat. Wir versuchen nun herauszufinden, wo es wichtig wäre weiterzumachen, und wo man eher auf die Bremse treten sollte. Es geht um pragmatische Umsetzung.
Liegt es an der Skepsis der Öffentlichkeit, was die EU-Produktpolitik anbelangt? Die Umsetzung des Verbots traditioneller Glühbirnen ist vielen Konsumenten noch in schlechter Erinnerung . . .
Leider sind Problemfälle in der Öffentlichkeit viel stärker bekannt als Sachen, die gut laufen. Etwa die bereits erwähnte Reduzierung von Stand-by-Verlusten – ein großer Erfolg, über den wenig berichtet wurde. Dafür gibt es viele Gründe. Ich finde es schade, dass in der Causa Glühbirnen erst berichtet wurde, als Kritik aufgekommen ist. Die Diskussion darüber wurde im Vorfeld ja durchaus transparent geführt. Man muss auch sagen, dass sich die Staats- und Regierungschefs in der Angelegenheit etwas weggeduckt haben. Dabei haben sie selbst 2007 beschlossen, dass die Glühbirnenmaßnahme zuerst umgesetzt wird. Wir im Europaparlament wollten damals mit Stand-by-Verlusten, Heizung und Warmwasser anfangen, die Beleuchtung sollte irgendwann folgen. Es gibt sowohl in den Medien als auch in Teilen der Öffentlichkeit den Reflex, der EU-Kommission die Schuld zu geben, wenn etwas bürokratisch ist und nicht funktioniert. In dem Fall lag es aber am Rat. Die Maßnahme war an sich richtig, aber sie kam zu schnell.
Es war also eine Frage des Tempos.
Ich glaube, die Sache wäre in der Öffentlichkeit nicht so kritisch diskutiert worden, wenn wir uns mehr Zeit gelassen hätten.
Das bedeutet also, dass das Europaparlament – zumindest damals – zu wenig Mitsprache hatte.
Ich will jetzt nicht für das gesamte Parlament sprechen. Es hat damals auch parlamentarische Beschlüsse mit derselben Stoßrichtung gegeben.
Müsste das Parlament Ihrer Ansicht nach in diesem Bereich gestärkt werden, um notfalls korrigierend eingreifen zu können?
Das ist eine schwierige Frage. Wir haben vor rund 15 Jahren in der Produktpolitik einige detaillierte Beschlüsse gefasst, beispielsweise zu Normen für Kühlschränke. Da hieß es dann, wir sollen uns doch nicht um solch technischen Kleinkram kümmern, das sei Sache der Fachleute. Ich wünschte mir, dass sich meine Kollegen mehr um die Umsetzung kümmern, dass wir mehr mit der Kommission diskutieren und dann gemeinsam stärker kommunizieren würden.
Wie stark ist der Einfluss von Interessenvertretern auf die Produktpolitik? Angesichts der Tatsache, dass Materie hochkomplex ist, sind Sie wohl auf die Expertise der Industrie angewiesen.
Natürlich geht es um technische Details, die man als Laie nicht gut überblicken kann. Wer aber Informationen haben will, kann sich jederzeit einlesen. Erfahrungsgemäß ist es am besten, sich möglichst viele Meinungen einzuholen und an die Wahrheit heranzutasten. Von außen betrachtet erscheint ist es doppelt komplex, weil technisch und europapolitisch zugleich.
Technik und EU sind also der Schrecken zum Quadrat.
Aber es lohnt sich! (la)