Die Planungsarbeiten für ein grünes Europa

Umweltschutz. Brüssel verfügt über mehrere umweltpolitische Hebel – darunter auch umstrittene wie die Chemikalien-Verordnung REACH.

Bei der Gründung des gemeinsamen Binnenmarktes war sie noch kein Thema, mittlerweile hat sie es in die EU-Verträge geschafft – die Rede ist von der Umweltpolitik der Europäischen Union, die im konsolidierten Vertragstext über die Arbeitsweise der EU zwischen den Themengebieten Forschung und Raumfahrt sowie Energie zu finden ist. Demnach verfolgt die Union gemäß Artikel 191 vier Ziele: Erhaltung und Schutz der Umwelt, Schutz der menschlichen Gesundheit, umsichtige Verwendung der natürlichen Ressourcen sowie die Förderung internationaler Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels. Kernelement dabei ist das sogenannte Verursacherprinzip: Wer eine Verschmutzung herbeiführt, muss sie auch beseitigen.
Der Weg dahin war lang, denn die Gründungsväter der EU hatten sich nicht mit dem Thema Umwelt befasst – im Europäischen Gemeinschaftsvertrag von 1957 war die Umweltpolitik nicht enthalten, erst im Jahr 1972 einigten sich die Staats- und Regierungschefs auf eine erste Erklärung zur Umwelt- und Verbraucherschutzpolitik. Im Jahr 1973 folgte das erste Umweltaktionsprogramm (UAP), das den Mitgliedstaaten die Marschrichtung vorgab, im Jahr 1987 erhielt die Umweltpolitik schließlich im Rahmen der Einheitlichen Europäischen Akte primärrechtlichen Rang. Heute ist in der EU-Kommission die Generaldirektion Umwelt mit der Materie betraut, ihr steht der Kommissar für Umwelt und Fischerei vor – momentan bekleidet der Malteser Karmenu Vella dieses Amt.

Plan und Umsetzung

Vereinfacht ausgedrückt funktioniert die europäische Umweltpolitik auf zwei Ebenen: Das auf mehrere Jahre ausgelegte Umweltaktionsprogramm gibt die Marschrichtung vor, während die „Feinsteuerung“ durch die Kommission über mehrere konkrete Instrumente erfolgt.

UAP. Derzeit befindet sich die Union mitten im siebenten Umweltaktionsprogramm, das noch bis 2020 läuft. Es umfasst insgesamt neun allgemein formulierte Prioritäten, darunter Schutz und Erhaltung des europäischen Naturkapitals (also Fauna und Flora), Förderung der Nachhaltigkeit der Städte, Sicherung von Investitionen für Umwelt- und Klimapolitik sowie verbesserte Umsetzung des europäischen Umweltrechts. Diese Prioritäten fungieren sozusagen als Dach, unter dem konkretere Maßnahmen angedacht und umgesetzt werden.
Die zuvor erwähnten Vorgaben machen klar, dass Umweltpolitik nicht von den anderen Aktionsbereichen der Brüsseler Behörde losgelöst werden kann, sondern (im Idealfall) immer mitbedacht werden muss – beispielsweise in der Produktpolitik. So treten im September dieses Jahres im Rahmen der Ökodesignrichtlinie neue Vorgaben für Boiler und Wärmepumpen inkraft, deren Ziel es ist, die Energieeffizienz zu steigern – und in Folge die Umwelt zu entlasten.

Ecolabel. Ein Mittel, um auf Umweltschutz hinzuweisen, ist das Europäische Umweltzeichen (Ecolabel). Das Gütesiegel gibt es seit 1992, es wurde von der EU-Kommission erdacht und wird von nationalen Behörden vergeben. Prämiert mit dem Ecolabel werden Produkte, die sich durch hohe Bekömmlichkeit für Umwelt und Gesundheit auszeichnen – also beispielsweise aus nachhaltigen Naturmaterialien hergestellte Matratzen oder Farben.

Grüne Stadt. Dabei handelt es sich um eine weitere Auszeichnung – mit ihr bedacht werden europäische Metropolen, die dauerhaft hohe Umweltstandards vorweisen. Seit 2010 wurden mittlerweile sieben Städte prämiert, darunter Stockholm, Hamburg und Nantes. Momentan trägt Bristol den Titel, 2016 wird Ljubljana die Grüne Stadt des Jahres sein.

Natura 2000. Hinter diesem Namen versteckt sich die Richtlinie 92/43/EWG, deren Zweck die länderübergreifende Erhaltung natürlicher Lebensräume von Tieren und Pflanzen ist. Im Rahmen des 1992 beschlossenen Gesetzes entstand ein Netzwerk von Naturschutzgebieten, die mittlerweile ein knappes Fünftel der Gesamtfläche der EU umfassen. In Österreich gibt es derzeit insgesamt 218 Natura-2000-Gebiete, die 15 Prozent der Fläche einnehmen – selbst Wien hat mit dem Bisamberg und dem Lainzer Tiergarten Gebiete vorzuweisen.

Sauberes Wasser. Zuständig für die Wasserqualität ist die Wasserrahmenrichtlinie aus dem Jahr 2000. Sie sieht vor, dass alle Flüsse, Seen, Küstengewässer sowie das Grundwasser bis zum Jahr 2015 sauber sein sollen. Erreicht werden soll das Ziel unter anderem durch Qualitätsziele und Standards, die individuelle Umsetzung obliegt im Anschluss den Mitgliedstaaten.

REACH. Diesen Namen trägt eine Verordnung aus dem Jahr 2007 – das Akronym steht für „Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals“. Das EU-Gesetz betrifft etwa ein Drittel der schätzungsweise 100.000 chemischen Stoffe, die sich heute in Konsumgütern aller Art befinden. Rund 30.000 Stoffe sollen bis spätestens 2018 erstmals auf ihre Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt hin getestet und registriert werden. Langfristig soll REACH bewirken, dass besonders gefährliche Stoffe durch weniger bedenkliche ersetzt werden.
Teil des Maßnahmenpakets ist auch eine eigenständige Chemieagentur der EU. Ihren Sitz hat die Behörde in Helsinki. Neben der durch die Verordnung vorgeschriebenen Registrierung von Chemikalien berät die Agentur Hersteller und Importeure und erarbeitet Vorschläge zur Risikominimierung bei für Umwelt und Gesundheit gefährlichen Stoffen. Von Industrievertretern wurde REACH wiederholt wegen des damit verbundenen bürokratischen Aufwands kritisiert. Umweltschützer wiederum rechnen vor, dass sich die EU durch die Reduktion von potenziell schädlichen Chemikalien pro Jahr bis zu 31 Mrd. Euro ersparen könnte.

Auf einen Blick

Klimaschutzpolitik. Die EU versucht, mit ihrer Klimapolitik sowohl die Reduktion der Treibhausgase innerhalb Europas als auch weltweit voranzubringen. Intern geschieht dies durch mehrere Maßnahmen, darunter ein Handelssystem mit Emissionsrechten für Kohlendioxid (CO2). Unternehmen sollen dadurch motiviert werden, auf umweltfreundlichere Produktionsmethoden umzusteigen. Daneben fließt die Klimapolitik in zahlreiche andere Felder wie etwa die Energiepolitik oder die Regelungen für Kraftfahrzeuge. Weltweit versucht die EU-Kommission, ehrgeizige Ziele und einen Lastenausgleich durch eine aktive Rolle bei UN-Klimaschutzkonferenzen durchzusetzen.

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