Wie der EU-Binnenmarkt für saubere Luft sorgen soll

Damit Europa beim Smog nicht Asien wird
Damit Europa beim Smog nicht Asien wirdBloomberg
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Klimaschutz. Kernelement des EU-Klimaschutzes ist der Handel mit CO2-Emissionszertifikaten. Nachdem das Angebot zuletzt die Nachfrage deutlich überstiegen hat, soll das Volumen der verfügbaren Verschmutzungsrechte ab 2021 um jährlich 2,2 Prozent gekürzt werden.

Brüssel. Nachdem der gemeinsame Binnenmarkt das Herzstück der Europäischen Union ist, ist es naheliegend, dass die EU auch beim Klimaschutz auf Marktmechanismen zurückgreift – schließlich gilt der Markt als „eine kostenwirksame Möglichkeit zum Schutz und zur Verbesserung der Umwelt und zur Verringerung des Drucks auf knappe Ressourcen“, wie es seitens der EU-Kommission heißt.
Das Herzstück dieses Ansatzes ist der Handel mit Emissionsrechten für Kohlendioxid (CO2) – das sogenannte ETS (Emission Trading System). Dabei erhalten Kraftwerke und Industrie eine bestimmte Menge an CO2-Rechten, die jährlich gesenkt wird. Kraftwerke müssen die Rechte per Auktion kaufen, die Industrie bekommt sie zu großen Teilen gratis zugeteilt. Wer mehr Rechte braucht, muss diese auf dem Markt zukaufen. Überschüssige Rechte können etwa bei umweltfreundlicher Produktion verkauft werden. Damit soll der Ausstoß von Umweltgiften sukzessive verteuert werden – um den Unternehmen einen Anreiz zu geben, in den Umweltschutz zu investieren.
Dass dieses Vorzeigeprojekt der europäischen Umweltpolitik alles andere als rund läuft, hängt mit dem freien Spiel der Marktkräfte zusammen – konkret mit der Menge der Emissionsrechte, die auf dem Markt zu haben sind. Aufgrund des konstant hohen Vergabevolumens seit dem Start von ETS im Jahr 2005 sind die Preise in den Keller gerasselt – womit die Anreize zum ressourcenschonenden Wirtschaften gegen null tendieren. Um eine Reform des Systems wird seit geraumer Zeit gerungen. Beim EU-Gipfel im Oktober 2014 wurde beschlossen, dass die Zahl der Zertifikate ab 2021 jährlich um 2,2 statt 1,74 Prozent gekürzt werden soll – die künstliche Verknappung erfolgt somit rascher als ursprünglich vorgesehen.

Rücksicht auf Osteuropa

Für ärmere EU-Mitglieder (also vor allem die Mitgliedstaaten in Zentral- und Osteuropa, die durch überalterte Kraftwerke und Industrieanlagen aus der „Ostblock“-Ära gehandicapt sind) soll es demnach eine Reserve von Verschmutzungsrechten geben, um die hohen Modernisierungskosten zumindest teilweise auszugleichen. Jedes EU-Mitglied, dessen Bruttoinlandsprodukt pro Kopf weniger als 60 Prozent des EU-Durchschnitts beträgt, darf auf diese Reserve zugreifen. Zudem gibt es eine Reserve von künftig 400 Millionen Zertifikaten, deren Versteigerungserlöse für den Ausbau erneuerbarer Energien verwendet werden sollen.
Ein weiteres Betätigungsfeld für die Brüsseler Behörde ist das Stromnetz der Union – das angesichts der sonstigen ökonomischen Vernetzung ihrer Mitglieder erstaunlich viele Löcher aufweist. Mit ein Grund dafür sind nationale Interessen: Dass beispielsweise bis dato kaum Windstrom aus Spanien nach Frankreich geleitet wird, hängt vordergründig mit dem Mangel von spanisch-französischen Interkonnektoren zusammen – dahinter stehen allerdings kommerzielle Interessen des französischen Staatskonzerns Electricité de France, der Kernkraftwerke betreibt und keine unliebsame (und nachhaltige) Konkurrenz auf dem Heimatmarkt haben möchte.
Dass die Ratsbeschlüsse vom Oktober 2014 eine Interkonnektivität von 15 Prozent bis zum Jahr 2030 vorsehen, hat die Kommission auch dem Ukraine-Konflikt zu verdanken – seit Russland nicht mehr als sicherer Energielieferant gilt, wurde die Suche nach Alternativen intensiviert. Und die Möglichkeit, überschüssigen Strom zu exportieren, ist ein naheliegender Ausweg aus der russischen Umklammerung.
Darüber hinaus hat sich die EU im Vorjahr einen Masterplan für den Klimaschutz gegeben. Er sieht unter anderem vor, dass der Anteil an erneuerbaren Energien im EU-schnitt bis 2030 auf 27 Prozent steigen soll – allerdings wurden dabei keine verbindlichen nationalen Ziele festgelegt. Verbindlich ist hingegen das Ziel, den Ausstoß an Treibhausgasen in der EU bis 2030 um mindestens 40 Prozent zu reduzieren. In den vom Emissionshandel erfassten Wirtschaftsbereichen wie etwa der Stromerzeugung sollen die Emissionen im Vergleich zu 2005 gar um 43 Prozent sinken. Allerdings behält sich die EU vor, nach dem Abschluss der Weltklimakonferenz in Paris im Dezember 2015 diese Ziele neu zu bewerten. (ag./la)

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