Transitstaaten auf dem Balkan fürchten Abschottung Europas

Migrant walks through field after crossing border near Tovarnik
Migrant walks through field after crossing border near Tovarnik(c) REUTERS
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Die EU-Anwärter könnten zur Abschiebe-Station gestrandeter Flüchtlinge werden. Sie sind dafür nicht gerüstet.

Belgrad. Die Männer in Uniform weisen den Weg. Kurz nach dem Ortsausgang der serbischen Provinzstadt Šid stoppen Polizisten zwei Kilometer vor der blockierten Grenze zu Kroatien die Busse mit den übermüdeten Passagieren. Die aus den Bussen dirigierten Flüchtlinge schlagen sich durch die Maisfelder über die grüne Grenze ins kroatische Tovarnik durch.

Über 50.000 der Grenzgänger sind in einer Woche von Serbien nach Kroatien gelangt. Zuvor hatte der EU-Anwärter in diesem Sommer rund 140.000 Flüchtlinge von seiner Südgrenze zu Mazedonien an die Nordgrenze zu Ungarn geschleust. Er sei „dankbar“ für Serbiens „kompetentes“ Management der Flüchtlingskrise, beteuerte am Freitag der EU-Nachbarschaftskommissar Johannes Hahn bei einem Besuch des Durchgangslagers in Šid. Serbien stehe in der Krise nicht allein da, sicherte er seinen Gastgebern zu: „Das Problem kann nur im Geist der Solidarität und mit dem Teilen der Last gelöst werden.“

Doch ob EU-Mitglied oder Anwärter: In der Flüchtlingskrise endet die Solidarität an den eigenen Landesgrenzen. Nicht nur die zu einem Handelskrieg eskalierten Spannungen zu Kroatien und die Arbeiten an Ungarns Grenzwall an den kroatischen, slowenischen und rumänischen Grenzen lassen Serbien fürchten, zum unfreiwilligen Hotspot oder gar zur langfristigen Abschiebe-Station für in der EU zurückgewiesene Flüchtlinge zu werden: Als Folge der von der EU anvisierten stärkeren Abschottung könnte sich die Zahl der gestrandeten Flüchtlinge drastisch vergrößern.

Für Aufregung sorgte in Belgrad zu Wochenbeginn eine Bemerkung der EU-Kommissionssprecherin, dass alle EU-Mitglieder außer abgelehnten Asylbewerbern aus Serbien auch Personen aus Drittstaaten abschieben könnten, die diese als Transitreisende passiert hätten. Belgrad und Skopje hingegen argumentieren, dass die Flüchtlinge schließlich aus dem EU- und Schengenland Griechenland eingereist, Mazedonien und Serbien hingegen weder deren Herkunfts- noch Zielland seien.

Am Ende der Abschiebekette

Doch auch die jüngste Ankündigung der österreichischen Innenministerin, Johanna Mikl-Leitner, abgelehnte Asylbewerber künftig „konsequent“ nach Slowenien und Kroatien zurückzubringen, lassen Serbien und Mazedonien fürchten, am Ende der Abschiebekette auf den ausgewiesenen Grenzgängern sitzen zu bleiben: Denn in das EU-Mitglied Griechenland darf laut einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs wegen der schlechten Behandlung der Flüchtlinge niemand abgeschoben werden.

Vorschläge wie die des französischen Ex-Präsidenten Nicolas Sarkozy, in Serbien große Flüchtlingslager zu errichten, stoßen auf massiven Widerspruch. Es sei illusorisch zu glauben, dass das bitterarme Land längerfristig mehr als einige hundert Flüchtlinge beherbergen oder gar integrieren könne, so Robert Lesmajstor, Direktor des Auffanglagers Banja Koviljača: „Dafür wäre nicht nur sehr viel Geld, sondern eine völlig andere Infrastruktur vonnöten.“ Die bisher sehr kargen EU-Zuwendungen von 17 Millionen Euro für die Flüchtlingshilfe in Mazedonien und Serbien werten heimische Medien notgedrungen als eher gutes Zeichen.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.09.2015)

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