Michael Haneke: Ein Fest für den Palmenkönig

(c) APA (Roland Schlager)
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Der Sieger von Cannes, Regisseur Michael Haneke, wurde im Rathaus geehrt. Auch die Frage, welchem Land der Film zuzurechnen ist, wurde gelöst.

Tag vier nach der Überreichung der Goldenen Palme an Regisseur Michael Haneke für seinen Film „Das weiße Band“. Auf dem Programm steht die erste Ehrung in der Heimat – und man ahnt: die erste von sicherlich mehreren. Die Stadt Wien ist naturgemäß besonders schnell mit dem Organisieren von Ehrungen (zu Sekt-Orange und fahlen Brötchen) und dem Überreichen irgendwelcher Preise, Abzeichen oder Orden. Das war auch im Vorjahr nach dem Oscar-Sieg von Stefan Ruzowitzky so.

Bei Haneke hat sich Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny etwas Originelleres einfallen lassen. Müssen. Schließlich hat der Regisseur schon einige Preise aus der Hand des Kulturstadtrats entgegengenommen. Nach den drei Cannes-Auszeichnungen für die Verfilmung des Elfriede-Jelinek-Romans „Die Klavierspielerin“ 2001 bekam er etwa eine vergoldete Zimmerpalme geschenkt. Diesmal gab es nichts aus Gold („Die Goldene Palme hat er schon“), sondern aus Papier. Mailath-Pokorny überreichte Haneke ein Faksimile der in der Wiener Musiksammlung befindlichen Partitur der Mini-Oper „Der Wald“ von Olga Neuwirth und Elfriede Jelinek – „umhüllt mit einem weißen Band“, wie der Stadtpolitiker, in Anspielung an den Filmtitel, mit dem Haneke in Cannes reüssierte, scherzte. „Lustig“, sagte darauf Haneke, „ich habe gerade vorhin mit Jelinek gesmst, wann wir uns endlich wieder sehen.“ Der Regisseur und die Autorin sind seit der Arbeit an der „Klavierspielerin“ eng verbunden.

Eng verbunden ist der 57-jährige Regisseur auch mit seinem Team („Ihr habt eine Super-Arbeit gemacht“), das zahlreich bei der Ehrung im Stadtsenatssitzungssaal des Rathauses erschienen war. Wie natürlich auch Hanekes Ehefrau Susanne, die ihm schon in Cannes nicht von der Seite gewichen war.


Mailath-Pokorny ging auf die „in den vergangenen Tagen viel geschriebenen Artikel“ ein, in denen darüber diskutiert wurde, ob Hanekes Erfolg ein österreichischer oder doch ein deutscher sei (weil der Film großteils mit deutschen Mitteln finanziert, von deutschen Schauspielern gespielt wurde, von Birgit Minichmayr abgesehen). „Ich halte diese Debatte für eine sehr kleinliche“, so der Stadtrat. „Der Film ist ein zutiefst europäischer, sowohl was das Thema als auch die Finanzierung betrifft.“ Haneke würde das durchaus so stehen lassen, wie er der „Presse“ im Anschluss an die Ehrung sagte, allerdings hätte er auch nichts dagegen, diese Frage wie im Sport zu behandeln. „Da geht die Medaille nicht an das Land, sondern an den Sportler.“ Es sei also in erster Linie „der Preis des Künstlers“.

Er fühle sich „im Moment wie nach der Matura“, erklärte Haneke. „Die Arbeit liegt hinter einem, die Spannung lässt nach, und man kann sich dem neuen Leben widmen.“

Bei der Ehrung etwas untergegangen ist die Tatsache, dass Cannes für Österreich (also doch?) eigentlich drei Erfolge brachte. Der Preis für Schauspieler Christoph Waltz wird zwar ohnehin als Austro-Sieg bezeichnet, vergessen wird im Trubel aber der mit dem Preis „Europa Cinemas Label“ ausgezeichnete Film „La Pivellina“ vom österreichischen Regisseur Rainer Frimmel und der Südtirolerin Tizza Covi, die bei der Haneke-Ehrung im Rathaus dabei waren.

Weil jeder Filmerfolg auch eine Verbesserung der Bedingungen für heimische Filmschaffende bringen soll, sprach Haneke über die finanzielle Situation des österreichischen Films. Er sehe mit Schrecken, dass der ORF das Film/Fernsehabkommen kündigen wolle. Sollte niemand anderer einspringen, dann werde es den österreichischen Film nicht mehr lange geben. Düstere Prognosen für einen Festtag.

AUF EINEN BLICK

Michael Haneke, geb. 1952 in München, aufgewachsen in Wiener Neustadt, war mit „Das weiße Band“ zum sechsten Mal bei den Filmfestspielen in Cannes vertreten und wurde am Sonntag mit dem Hauptpreis, der Goldenen Palme, ausgezeichnet. Am Donnerstag wurde er im Wiener Rathaus geehrt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.05.2009)

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