Terrororganisation bekannte sich zu Bluttat – Nervosität vor Tag der offenen Tür. Einer der Verdächtigen befindet sich nach einem Kopfschuss noch im UKH Meidling.
WIEN (stög.).Neben den umfangreichen Ermittlungen nach dem Anschlag auf den Sikh-Tempel im 15.Bezirk vom vergangenen Sonntag rüstet sich die Wiener Polizei für ein Ereignis in der Wiener Sikh-Community: Am 7. Juni veranstaltet das „Gurdwana Sikh Zentrum“ in Meidling im Rahmen des „Festivals der Bezirke“ einen Tag der offenen Tür. Nach den Ereignissen vom Sonntag wird dort das Polizeiaufgebot enorm sein. Die FPÖ forderte am Donnerstag indes die Absage der Veranstaltung – aus Sicherheitsgründen.
Derzeit gehen die Ermittler aber noch einem angeblichen Bekennerschreiben nach. Darin übernimmt die „Khalistan Zindabad Force“ (KZF) die Verantwortung für den Anschlag. Wie berichtet wurde am vergangenen Sonntag der Guru Sant Rama Anand durch Schüsse so schwer verletzt, dass er wenige Stunden später starb. 16 Personen wurden verletzt. Die KZF kämpft seit vielen Jahren für einen unabhängigen Sikh-Staat in Khalistan. Den Höhepunkt der Tätigkeiten verzeichnete die KZF in den 1980er-Jahren. 2005 wurde die KZF von der EU als terroristische Organisation eingestuft.
Das per Mail eingegangene Bekennerschreiben soll an den Radiosender Akash im Süden von London adressiert gewesen sein. In diesem Teil der britischen Hauptstadt lebt eine große Sikh-Gemeinde. Über das Schreiben berichtete unter anderem die englischsprachige indische Zeitung „The Hindu“. Donnerstagnachmittag hieß es aus der Wiener Polizei, Experten würden die Authentizität der Nachricht prüfen. Man könne einen „Trittbrettfahrer“ aber nicht ausschließen. In der Bekennerbotschaft wird laut Radio Akash das nicht dem Sikh-Glauben entsprechende Verhalten der Ravi-Dass-Gemeinschaft genannt. Da die Gruppierung trotz Warnungen weiter „Sünden begangen“ hätte, sei das Attentat unvermeidlich gewesen.
Unterdessen erklärte die Wiener Polizei am Donnerstag, es konnten alle mutmaßlichen Täter identifiziert werden. Bei den sechs Verdächtigen handelt es sich um Männer im Alter von 24 bis 45 Jahren. Sie stammen aus dem Punjab oder aus benachbarten Bundesstaaten im Norden Indiens. Vier der Männer haben Asylanträge gestellt. Davon einer wegen einer angeblichen „Familienfehde“ in Indien, der zweite aus „religiösen Gründen“, der dritte gab überhaupt keinen Grund an. Ein vierter Verdächtiger hat ebenfalls einen Asylantrag gestellt. Da er aber nie zu einer Ladung erschienen sei, ist kein Asylgrund ersichtlich, berichtete ein Polizeisprecher am Donnerstag. Zwei Verdächtige sind illegal nach Österreich gereist. Einer soll sich bereits seit dem Jahr 2001 im Land aufhalten, der andere soll erst im vergangenen Jahr illegal eingereist sein.
Falsche Identitäten
Einer der sechs Verdächtigen befindet sich nach einem Kopfschuss weiterhin im UKH Meidling. Dort wird er von Uniformierten und Zivilpolizisten bewacht. Auch der bei dem Attentat schwer verletzte zweite Prediger wird weiterhin in einem Spital behandelt und ebenfalls streng abgeschirmt. Er ist auf dem Weg der Besserung.
Auf die Frage, warum es mehrere Tage dauerte, bis die Verdächtigen identifiziert werden konnten, heißt es bei der Polizei: „Sie haben verschiedene Identitäten angegeben.“ Außerdem sei es schwierig gewesen, Dolmetscher aufzutreiben. Mittlerweile werden die fünf Männer – der sechste, der als mutmaßlicher Haupttäter gilt, ist noch nicht vernehmungsfähig – von insgesamt sechs Dolmetschern zur Tat und zu den Hintergründen befragt. Zusätzlich sprachen die Dolmetscher auch mit rund 30 Zeugen, die im Gebetshaus waren, als die Schüsse fielen. Von der zuständigen Tatortgruppe im Landeskriminalamt wurden bisher rund 300 Tatortspuren aus dem Tempel in der Pelzgasse gesichert, weitere würden noch folgen, berichtet die Polizei.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.05.2009)