Katalonien: Die nächsten Schritte im Scheidungsdrama

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epaselect SPAIN POLITCS CATALONIA(c) APA/EPA/ALBERTO ESTEVEZ (ALBERTO ESTEVEZ)
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Nach dem Sieg der Separatisten in Katalonien bereitet die Regionalregierung die Trennung von Spanien vor – die Zentralregierung will von einem Dialog über eine Abspaltung nach wie vor nichts wissen.

Das Scheidungsdrama zwischen Madrid und Barcelona tritt in die ganz heiße Phase: „Wir haben das Mandat, den katalanischen Staat aufzubauen“, erklärte Kataloniens Regionalpräsident Artur Mas am Montag.

Seine Separatisten-Liste sicherte sich bei der Regionalwahl die Mehrheit der Sitze im Parlament. Mas hatte das Votum zum „Plebiszit“ über die Unabhängigkeit erklärt. Nun muss er sein Versprechen erfüllen: Innerhalb der nächsten 18 Monate soll die Trennung von Madrid vollzogen sein. Für Barcelona, Madrid und Brüssel beginnt damit eine riskante Reise:

Katalanische Turbulenzen. Bevor Mas den Weg Richtung Alleingang ebnet, braucht er eine solide Basis im Regionalparlament. Für eine absolute Mehrheit müsste er aber mit der linksradikalen CUP koalieren. Außer Separatismus verbindet die wirtschaftsliberale, Pro-Europa-Partei des Regionalpräsidenten mit den marxistischen Euro-Gegnern der CUP rein gar nichts. Die CUP will nicht einmal Mas als Regionalpräsidenten bestätigen. Auch in Sachen Abspaltung dürfte sich die Kooperation schwierig gestalten: Die Linksradikalen riefen bereits zum „zivilen Ungehorsam“ auf und fordern eine „sofortige Unabhängigkeitserklärung“. Mas hingegen will die Dinge behutsamer angehen – und verhandeln: So könnte die Schweiz Gespräche mit Madrid vermitteln.

Hinzu kommen Ängste vor den hohen Kosten einer Unabhängigkeit. Mas muss nicht nur Skeptiker daheim (jeder Zweite stimmte gegen Unabhängigkeit), sondern auch ausländische Unternehmen beruhigen: 39 Prozent aller internationalen Firmen in Spanien haben ihren Sitz in Katalonien. Warnungen, dass eine Abspaltung EU- und Euro-Mitgliedschaft beenden würde (und damit EU-Förderungen), verunsichern viele. Die Regierung betont, dass sie die Trennung mit den Zwölf-Mrd.-Euro-Steuergeldern finanzieren werde, die jährlich „nach Spanien“ fließen.

Spanische Hartnäckigkeit. Spaniens Premier Mariano Rajoy ist zwar „zum Dialog“ bereit – doch die Einheit der Nation dürfe nicht in Frage gestellt werden. Bereits vor dem Votum hatte er mit Klagen gegen weitere Schritte Richtung Unabhängigkeit gedroht. Rajoy hat die Wahlen im Dezember im Blick: Seine Volkspartei stürzte in Katalonien auf ein historisches Tief ab. Durch Härte gegenüber den Separatisten könnte er nun versuchen, Stimmen der Rechten zu gewinnen.

Allerdings dürfte das Votum vom Sonntag auch einige in Madrid wachgerüttelt – und Chancen für Konzessionen (mehr Autonomie) geschaffen haben: Das katalanische Abenteuer kommt Spanien teuer: Ausgerechnet jetzt, wo das Land wirtschaftlich auf die Beine kommt, drohen Vertrauensverluste auf den Finanzmärkten. Katalonien erwirtschaftet ein Fünftel des BIP und 38 Prozent der Exporte, Firmen wie Mango oder Caixabank sind hier beheimatet.

Brüsseler Ratlosigkeit. Trotz Warnungen vor einem EU-Austritt gibt es keine Vorgabe, was mit Regionen geschieht, die sich von EU-Staaten trennen. Es dürfte auch kein Interesse daran geben, das 7,5-Millionen-Einwohner zählende Katalonien zu verlieren. Entsprechend zurückhaltend reagierte gestern die Kommission: „Dieses Votum ist eine spanische Angelegenheit.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.09.2015)

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