Ein Protest der Oberösterreicher auch gegen die Landespolitik

ÖVP, SPÖ und Grüne beklagen, in der Flüchtlingsfrage schaue die FPÖ nur zu oder hetze. Über eigene Versäumnisse wird aber hinweggesehen.

Landeshauptmann Pühringer und seine ÖVP, aber auch SPÖ und Grüne in Oberösterreich machen es sich jetzt nach der Landtagswahl ziemlich einfach. Die Flüchtlingskrise sei schuld an den Schlappen von Schwarz und Rot beziehungsweise am nur schwachen Zuwachs für die Grünen, die nun deshalb aus der schwarz-grünen Koalition im Land fliegen. Und das war's dann schon.
Eines vorweg: Kein halbwegs vernünftig denkender Mensch wird bestreiten, dass die Folgen des Ansturms zigtausender Flüchtlinge nach Österreich in diesen Monaten das alles bestimmende Thema im Landtagswahlkampf waren. Es wird kaum jemand ernsthaft behaupten, ein Land von der Größe Österreichs könne eine solche Herausforderung mit einem Patentrezept schnell und dauerhaft lösen. Selbstverständlich gaukeln FPÖ-Plakatslogans von „sicheren Grenzen, sicherer Heimat“ auch nur scheinbar rasche Lösungen vor.

Eines hat der Zuspruch für die FPÖ von fast einem Drittel der oberösterreichischen Wähler aber schon um Ausdruck gebracht: Sie geben sich mit dem Abschieben der Verantwortung beim Asylthema an die Bundesregierung in Wien und dem bloß rituellen Attackieren der ach so garstigen Freiheitlichen als „Hetzer“ ebenfalls nicht zufrieden. Denn viele Fragen um die Bewältigung des Flüchtlingsstroms und der längerfristigen Folgen für jeden Bürger, ob in Oberösterreich oder in einem anderen Bundesland, sind ungeklärt.

Was können nun Pühringer, SPÖ-Landeschef Entholzer und der grüne Spitzenkandidat Anschober als Landespolitiker für diese Unwägbarkeiten? „Wir haben einen Preis bezahlt, den wir nicht verschuldet haben“, beteuerte der ÖVP-Landeshauptmann, dem die Flüchtlingskrise einen glorreichen Abgang nach 20 Jahren an der Spitze des Landes zerstört hat. Die Landespolitik hat sich zwar in Oberösterreich etwa bei der Quartiersuche tatsächlich angestrengt. Aber die ÖVP hat gerade im Wahlkampf-Finish Pühringer als starken Landeshauptmann beworben. Ein solcher schwarzer Machtfaktor hätte dann in der Bundesregierung, bei Kanzler Faymann und bei Pühringers Landsmann Mitterlehner, seit Monaten viel mehr Druck auf Lösungen machen sollen, ja müssen. Noch dazu, da Pühringer seit Anfang Juli oberster Ländervertreter ist. Stattdessen hat er einen Schlingerkurs und ein Wegducken hingenommen, in der Hoffnung, das Problem werde sich in Luft auflösen.

Von einem Machtfaktor in der Partei kann bei der SPÖ Oberösterreich und ihrem Vorsitzenden Entholzer zwar schon länger keine Rede mehr sein. Aber die Sozialdemokraten hätten es vor allem auf Kommunalebene selbst in der Hand (gehabt), den Leuten die Ängste vor Ausländern und Asylwerbern zu nehmen. Stattdessen wurden ähnlich wie in früheren Jahren in Wien im städtischen Bereich Ghettotendenzen und Probleme in Schulen kleingeredet oder als bloße blaue Propaganda abgetan. Die Rechnung für Feigheit haben die Roten nicht nur in Wels präsentiert bekommen.
Ähnliches gilt für die Grünen. Jeden, der Bedenken in der Asylfrage äußert, gleich als engstirnigen Provinzler, wenn nicht gar als Rassisten hinzustellen, ist zu einfach. Wozu gab es denn sechs grüne Regierungsbeteiligungen in den Ländern und zuständige Landesrätinnen, wenn auch diese bei der Asylquartiersuche scheitern? Den (Ober-)Österreichern wurde doch versprochen, mit Grünen in der Regierung funktioniere alles besser.

Etliche andere Probleme, die nicht nur Oberösterreicher im täglichen Leben betreffen, dürfen nicht unerwähnt bleiben. Voran die Sorge um einen Arbeitsplatz. Warum lassen es Pühringer und Entholzer zu, dass die Bürger von der Bundesregierung ständig mit einem Arbeitsmarktgipfel vertröstet werden? Oder: Wer soll schwarz-roten Landespolitikern auch nur ein Wohnbauversprechen glauben, wenn diese nicht endlich Druck für eine bundesweite Mietrechtsreform machen?

Die FPÖ produziert doch nur politische Luftblasen, oder? Mag sein. Aber der Protest der Oberösterreicher hat sich auch dagegen gerichtet, dass Schwarz und Rot sich über blaue Politikzuschauer beklagen. Dabei hätten sie selbst auch in der Flüchtlingsfrage mehr tun können.

E-Mails an: karl.ettinger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.09.2015)

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