Arbeitsmarkt: Ansturm der Osteuropäer

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THEMENBILD: ARBEITSMARKTSERVICE AMS / ARBEITSLOSENZAHLEN /ARBEITSLOSE(c) APA/HERBERT PFARRHOFER (HERBERT PFARRHOFER)
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Nicht die Flüchtlinge, sondern Arbeiter aus Ungarn und der Slowakei sorgen auf dem österreichischen Arbeitsmarkt für einen Verdrängungswettbewerb.

Wien. In Österreich steigt die Arbeitslosigkeit. Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) sprach sich zuletzt dafür aus, unter bestimmten Voraussetzungen den Arbeitsmarkt für Asylwerber zu öffnen. Die FPÖ läuft dagegen Sturm. Sie befürchtet einen weiteren Anstieg der Arbeitslosigkeit. Tatsächlich gibt es auf dem österreichischen Arbeitsmarkt schon jetzt einen intensiven Verdrängungswettbewerb. Schuld daran waren zuletzt aber nicht die Flüchtlinge, sondern die sogenannten Einpendler aus Osteuropa. Die Statistik Austria hat dazu am Montag einige interessante Details veröffentlicht.

Laut der „Erwerbsstatistik 2013“ ist die Zahl der Einpendler aus dem Ausland von 2012 auf 2013 um 24,2 Prozent auf 147.752 Menschen gestiegen. Bei Einpendlern handelt es sich um Personen, deren Hauptwohnsitz nicht in Österreich liegt, die aber bei uns sozialversichert sind und einer selbstständigen oder unselbstständigen Beschäftigung nachgehen.

Die Statistik Austria setzt sich erst seit 2011 mit diesem Thema auseinander. 2011 zählte man 105.367 Personen, die für einen Job nach Österreich kamen. 2012 und 2013 kamen 42.385 Pendler hinzu. Gleichzeitig gab es 2013 aber nur 26.274 Österreicher, die ins Ausland – meist nach Deutschland – pendelten. Die Zahlen für 2014 liegen noch nicht vor. Doch es ist von einem weiteren Ansturm der Osteuropäer am österreichischen Arbeitsmarkt auszugehen.

Die meisten Einpendler (37.793) stammten zuletzt aus Ungarn, gefolgt von Slowaken (34.047). Auf Platz drei lagen die Deutschen (26.505), dann kamen Rumänen, Slowenen und Tschechen (siehe Grafik). Den höchsten Anteil der Einpendler aus dem Ausland hat laut Statistik Austria die Gemeinde Wallern in Burgenland mit 58,2 Prozent.

Ungar verdrängt Ex-Jugoslawen

Die meisten Osteuropäer sind im Bereich „sonstige Dienstleistungen“ und in der „Beherbergung und Gastronomie“ tätig.

(C) DiePresse

Die Ungarn und Slowaken verdrängen meist jene Ausländer, die schon lange in Österreich leben. Arbeitsmarktservice-Vorstand Johannes Kopf schilderte dazu im Frühjahr im „Presse“-Interview ein typisches Beispiel: „Da gibt es einen Mann aus Ex-Jugoslawien. Er arbeitet seit neun Jahren bei der gleichen Baufirma und war im Winter immer arbeitslos. Doch im heurigen Frühjahr wurde er nicht mehr genommen. Er kann kein Deutsch. Die Baufirma nimmt jetzt einen Ungarn, der jünger ist, Deutsch kann und eine Berufsausbildung hat.“Hinzu kommt ein weiterer Trend: Die Ungarn und Slowaken bekommen jene Jobs, die für die meisten Österreicher uninteressant sind. Viele Gastronomiebetriebe und Hotels im Burgenland schätzen die Ungarn, weil diese zeitlich flexibel sind und auch lange Anfahrtszeiten in Kauf nehmen. Dagegen ist kaum ein Arbeitsloser aus Wien bereit, ins Burgenland zu pendeln und dort einen Job in der Gastronomie zu übernehmen. Ähnliches passiert in der 24-Stunden-Betreuung für alte Menschen. Zuletzt zählte man 53.000 Betreuer aus Osteuropa, die in Österreich alte Menschen pflegen. Davon stammen 56 Prozent aus der Slowakei und 32 Prozent aus Rumänien. Diese verdienen netto oft nur 630 Euro im Monat.

Der Ansturm der Osteuropäer wird dafür sorgen, dass die Arbeitslosigkeit in Österreich weiter steigen wird. Laut AMS-Prognose werden zwischen 2014 und 2019 rund 212.000 zusätzliche Arbeitskräfte auf dem österreichischen Arbeitsmarkt aktiv sein. Davon stammen 80 Prozent aus dem Ausland – die meisten aus Osteuropa. Diesen 212.000 zusätzlichen Arbeitskräften stehen aber nur 132.000 neue Jobs gegenüber. Diese AMS-Prognose wurde im Frühjahr veröffentlicht. Sie ist inzwischen wegen des starken Zustroms von Flüchtlingen, die auch auf den österreichischen Arbeitsmarkt drängen werden, überholt.

Aus der Erwerbsstatistik, die am Montag veröffentlicht wurde, geht weiters hervor, dass von den österreichischen Männern im Alter von 60 bis 64 Jahren nur noch 27 Prozent erwerbstätig sind. Damit liegt Österreich im EU-Vergleich auf dem fünftletzten Platz. In Schweden liegt der Anteil bei 73 Prozent. Weil die Österreicher so früh in Pension gehen, muss der Staat jährlich Milliarden ins Pensionssystem zuschießen.

AUF EINEN BLICK

Die Statistik Austria hat am Montag einen Bericht mit interessanten Details über den österreichischen Arbeitsmarkt veröffentlicht. Gestiegen ist zuletzt vor allem die Zahl der sogenannten Einpendler aus dem Ausland – und zwar um 24,2 Prozent auf 147.752 Personen. Bei Einpendlern handelt es sich um Personen, deren Hauptwohnsitz nicht in Österreich liegt, die aber bei uns sozialversichert sind und einer selbstständigen oder unselbstständigen Beschäftigung nachgehen. Die meisten Einpendler stammen aus Ungarn, gefolgt von der Slowakei. Auf Platz drei liegen die Deutschen. Die Ungarn und Slowaken verdrängen meist jene Ausländer, die schon länger in Österreich leben. Oft übernehmen sie auch jene Jobs, die für viele Österreicher wenig interessant sind – wie in der Gastronomie und in der Hotelbranche.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.09.2015)

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