Am 29. September 2013 zogen die Neos in den Nationalrat ein. Die damalige Euphorie ist völlig verflogen. Nach Niederlagen in drei Ländern entscheidet Wien über die Zukunft des Projekts.
Die Wiener SPÖ ist – relativ glaubhaft – gegen Straches FPÖ. Die Grünen sind – ziemlich glaubhaft – gegen Straches FPÖ. Wozu also sieht dann also auch noch der Neos-Wahlkampf so aus, als sei er ausschließlich gegen Straches FPÖ gerichtet? Schmied/Schmiedl, einmal anders.
Die Neos werden jetzt sagen, sie lehnten einfach die „menschenverachtende“ Politik der FPÖ ab, die keine Lösungen habe und so weiter und so fort. Aber es gibt da schon auch eine Strategie: Von der ÖVP, so der Gedanke dahinter, sei für die Neos in Wien nicht mehr viel zu holen. Wer von Schwarz zu Pink wechseln will, hat das in der Regel bereits getan. Im Reservoir der Grünen, so glauben die Neos, sei allerdings noch was zu holen. Und da diese zu 100 Prozent Anti-Strache seien, und das nicht selten deren wichtigstes Wahlmotiv darstellt, sind nun auch die Neos zu 100 Prozent Anti-Strache.
Obwohl es für eine bürgerlich-liberale Partei wahrscheinlich sinnvoller wäre, zu 100 Prozent Anti-SPÖ zu sein. Noch dazu in einer Stadt, in der seit fast hundert Jahren – mit Unterbrechung – immer die Sozialdemokratie regiert, inklusive aller negativen Begleiterscheinungen wie Abnützung, Filz, Parteibuchwirtschaft und Geldverschwendung.
Die derzeitige Neos-Strategie betoniert die SPÖ an der Spitze der Stadt jedenfalls ein. Spitzenkandidatin Beate Meinl-Reisinger spricht zwar davon, dass Michael Häupl gegen einen Jüngeren ausgetauscht gehört – das wird allerdings nicht sie entscheiden –, gelobt aber, nach der Wahl keinesfalls gemeinsam mit der FPÖ (und der ÖVP) einen Wechsel herbeizuführen.
Man hofft, wie gesagt, auf die grün-affinen Bobo-Wähler. Bleiben diese aus, dann haben die Neos ein Problem. Und in der aktuellen Zuspitzung zwischen Rot und Blau könnten diese statt zu den Neos leicht zur SPÖ wechseln.
Gestern vor zwei Jahren, am 29. September 2013, sind die Neos in den Nationalrat eingezogen. Es war in der Tat, wie Parteichef Matthias Strolz gern betont, Österreichs bis dahin erfolgreichstes Polit-Start-up. Eine Bürgerbewegung von unten – getragen von ehemaligen ÖVP- und LIF-Mitstreitern. Die Euphorie am Wahlabend und danach war groß. Im österreichischen Parlament war nach vielen Jahren wieder eine liberale Partei vertreten. Und diesmal sah es so aus, als könnte dieser Erfolg nachhaltiger sein. Und die Neos als Partei der bürgerlich-liberalen Mitte der ÖVP und den Grünen dauerhaft das Wasser abgraben.
Danach sieht es derzeit allerdings nicht aus. Nachträglich wirken die als Enttäuschungen empfundenen Wahlen zum EU-Parlament (8,1 Prozent) und in Vorarlberg (6,9 Prozent) wie ein Erfolg. Im Burgenland, in der Steiermark und nun in Oberösterreich sind die Neos im ersten Anlauf gescheitert.
Stammwählerpotenzial?
Für Wien besteht immerhin die Hoffnung, dass sich bereits so eine Art Stammwählerpotenzial gebildet hat: aus den früheren LIF-Wählern, liberalen ÖVPlern, die mit ihrer Herkunftspartei unwiderruflich gebrochen haben und ein paar Grün-Affinen. Damit wäre wenigstens der Landtagseinzug gesichert.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.09.2015)