"Geheimpapier": Asyl-Kosten von 12,3 Milliarden Euro?

Wartene Migranten beim Grenzübergang Freilassing
Wartene Migranten beim Grenzübergang FreilassingAPA/BARBARA GINDL
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Ausgehend von 85.000 Asylwerbern 2015 und 130.000 weiteren 2016 werden für die nächsten vier Jahre Kosten von 6,5 Milliarden Euro veranschlagt - ohne Familiennachzug. Das Finanzministerium dementiert.

Im September haben rund 8000 Menschen in Österreich um Asyl angesucht. Verteilt auf das ganze Jahr 2015 rechnet das Innenministerium mit etwa 80.000 Asylwerbern. Keine Rechnung lag bislang zu den erwarteten Kosten vor, die durch die Betreuung der Betroffenen entstehen. Laut einem Bericht des Ö1-"Morgenjournals" vom Mittwoch gibt es aber sehr wohl Berechnungen aus Regierungskreisen - gebündelt in einem "Geheimpapier". Demnach seien in den nächsten vier Jahren Kosten von insgesamt 12,3 Milliarden Euro zu erwarten.

Bei der Regierungsklausur zum Thema Asyl am 11. September war noch die Rede von knapp 500 Millionen Euro an Gesamtkosten - 420 Millionen für die Grundversorgung und 75 Millionen aus einem Integrationstopf. Ein "Geheimpapier", das zur Vorbereitung eben dieser Klausur erstellt worden sein soll und aus dem das ORF-Radio nun zitiert, enthält aber wieder anderes Datenmaterial: Demnach werden darin, "ausgehend von 85.000 Asylwerbern 2015 und 130.000 Asylwerbern im kommenden Jahr bei rund 25.000 positiven Asylbescheiden in jedem Jahr" Gesamtkosten von 6,5 Milliarden Euro in den Jahren 2016 bis 2019 angegeben, berichtet Ö1. Die Flüchtlingskosten inklusive Familiennachzug fallen laut Papier noch höher aus: mit 12,3 Milliarden Euro bis 2019.

Die Beträge setzen sich laut Bericht aus den Kosten für die Grundversorgung von Asylwerbern zusammen, die für 2016 mit 640 Millionen Euro und ab 2017 mit einer Milliarde Euro im Jahr angegeben werden. Dazu kommen die Kosten für die Mindestsicherung, die Gesundheitsversorgung sowie Arbeitsmarkt- und Integrationsmaßnahmen, die mit knapp 500 Millionen Euro pro Jahr beziffert werden - und mit gut 1,3 Milliarden Euro pro Jahr, wenn man den Familiennachzug einrechnet.

Finanzministerium dementiert "Geheimpapier"

Das Bundesministerium für Finanzen reagierte am Mittwoch in einer Aussendung im Einvernehmen mit der Regierungsspitze auf den Ö1-Bericht. "Es existiert kein geheimes Regierungspapier zu möglichen Kosten durch die Flüchtlingssituation", heißt es darin. Das kolportierte Dokument "ist uns nicht bekannt, wir können die darin kolportierten Summen daher nicht nachvollziehen".

Die Bundesregierung habe "mit den betroffenen Ressorts die Kosten für Flüchtlingswesen und Integration beziffert und im Budget eingestellt". Demnach handele es sich im Jahr 2016 um die bereits bekannten 420 Millionen Euro für die Grundversorgung sowie einen "Topf Integration" in Höhe von 75 Millionen Euro. Außerdem wurde mit dem Sozialministerium vereinbart, 70 Millionen Euro für die Eingliederung von Flüchtlingen am Arbeitsmarkt bereit zu stellen. Darüber hinaus gehende Mehrkosten würden "nach Vorliegen entsprechender Fakten gemeinsam geprüft und gegebenenfalls nachjustiert".

Opposition fordert Klarstellung

SP-Kanzleramtsminister Josef Ostermayer habe noch nie von solchen Zahlen gehört, ließ er verlautbaren. Er gehe davon aus, dass die Beträge "weit niedriger" sind.

FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl äußerte sich ebenfalls zu dem "Geheimpapier". "Jetzt ist die Katze wohl endgültig aus dem Sack. Offenbar ist diese rot-schwarze Vertuschungsaktion vor der Wien-Wahl gescheitert", kommentierte er. "Da rollt eine enorme Belastungslawine auf die Österreicher zu", so Kickl. Auch die Grünen fordern Kostentransparenz in Sachen Flüchtlinge. Integrationssprecherin Alev Korun geht es dabei aber weniger um die Kosten für die Betreuung von Asylwerbern, sondern mehr um deren gesellschaftliche Integration. Und sie will auch wissen, was eine Nicht-Integration kosten würde.

Team Stronach-Klubobmann Robert Lugar forderte von der Regierung "einen genauen Kassasturz, in dem auch Mehrkosten bei Exekutive und Bundesheer ebenso einberechnet sind wie Verpflegungs- und Transportkosten sowie die Miete von Unterkünften". 

>> Bericht im Ö1-"Morgenjournal"

(Red.)

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