Flüchtlinge: Heuer 1150 Abschiebungen in die Heimatländer

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Dem wachsenden Ansturm auf Österreich stehen Probleme bei den Rückführungen gegenüber. Innenministerin Mikl-Leitner bereitet Verschärfungen für den Familiennachzug vor.

1 Wie viele Asylwerber schickt Österreich mangels Asylgrund zurück in ihre Heimat? Warum ist das schwierig?

Im ersten Halbjahr dieses Jahres wurden 1150 Menschen von Österreich in ihre Heimatländer abgeschoben. Darunter waren heuer zahlreiche Kosovaren, von diesen sind viele in den Wintermonaten eingereist. Der Kosovo gilt als sicheres Herkunftsland. Bei Abschiebungen in andere Länder gibt es hingegen oft Probleme: Für manche Staaten, etwa Pakistan, bestehen keine Abmachungen über die Rücknahme, auch nach Afghanistan finden de facto keine Zwangsabschiebungen statt. Insgesamt bilden die „echten“ Abschiebungen jedoch nur den kleineren Teil an Personen, die von Österreich wieder außer Landes gebracht werden. Bis 31. August 2015 mussten 5391 Personen Österreich verlassen, der Großteil davon waren aber „freiwillige“ Rückreisende.

2 Wie viele Flüchtlinge werden in andere EU-Staaten zurückgebracht ?

Das waren bis Ende August 992, ein Großteil wurde nach Italien zurückgeschoben. Diese Rückschiebungen betreffen Personen, die bereits über einen anderen EU-Staat eingereist sind (Dublin-Abkommen). Aber auch solche Rückschiebungen sind schwierig, so verweigert etwa der Nachbarstaat Ungarn die Aufnahme. Übrigens auch ein Grund dafür, dass derzeit an der österreichisch-ungarischen Grenze in Nickelsdorf die Flüchtlinge nicht registriert werden, sondern ihnen bei der Weiterfahrt nach Deutschland geholfen wird. 2014 wollte Österreich 6066 Schutzsuchende in ein anderes EU-Land zurückschicken, tatsächlich wurden nur 1076 überstellt.

3 Wie viele Flüchtlinge werden heuer in Österreich erwartet, wie viele 2016?

Nach den Prognosen für das heurige Jahr wird mit 80.000 bis 85.000 Asylwerbern gerechnet. Im kommenden Jahr soll die Zahl auf bis zu 130.000 steigen. Derzeit sieht es so aus, als würden sich die Prognosen für 2015 erfüllen. Mit Ende September 2015 haben rund 55.000 Menschen tatsächlich um Asyl angesucht.

4 Wie lange dauert in Österreich im Regelfall ein Asylverfahren ?

Die durchschnittliche Dauer bei einem Verfahren beträgt nach aktuellen Zahlen des Innenministeriums fünf Monate. Wobei die Zeiten individuell sehr stark variieren. Während syrische Flüchtlinge Anfang 2015 zum Teil in zwei Wochen ihren Asylstatus bekamen, dauert es bei anderen Fällen deutlich länger als ein halbes Jahr. Faustregel ist aber: Je genauer das Leben des Asylwerbers dokumentiert ist, je besser er nachweisen kann, wer er ist und woher er kommt, desto schneller geht es.

5 Was ändert sich durch Deutschlands Plan für Schnellverfahren an den Grenzen?

In der Bundesregierung herrscht grundsätzlich Einigkeit: Österreich werde diese Vorgangsweise übernehmen. Der Grund dafür: Man will einen „Rückstau“ von Flüchtlingen in Österreich vermeiden. Details waren am Mittwoch allerdings noch offen, diese und die Möglichkeiten der Umsetzung wurden gerade intensiv von Experten geprüft.

6 Was ist ein Konventionsreisepass? Für wen werden diese ausgestellt?

Anerkannte Flüchtlinge haben das Recht auf einen Konventionsreisepass. Mit ihm können sie in alle Länder reisen, außer in ihren Herkunftsstaat. Seit 2014 haben auch subsidiär Schutzberechtigte Anspruch auf ein Reisedokument. Sie bekommen den Fremdenpass, der mit dem Konventionsreisepass gleichgestellt ist. Subsidiär Schutzberechtigte sind Asylwerber, die kein Asyl bekommen, aufgrund von Gefahr für ihr Leben in ihrem Herkunftsland aber trotzdem bleiben dürfen. Ihr Status muss regelmäßig verlängert werden.

7 Dürfen Flüchtlinge ihre Familienangehörigen nachholen? Bleibt das so?

Asylwerber, die auf das Ende des Verfahrens warten, können keine Familienangehörigen nach Österreich holen. Nur Asylberechtigte bzw. subsidiär Schutzberechtigte haben laut EU-Richtlinie diese Möglichkeit. Mit Einschränkungen: Erwachsene können Ehepartner und minderjährige Kinder nachholen. Bei unbegleiteten Minderjährigen dürfen minderjährige Geschwister und Eltern einreisen. Das soll so bleiben – die ÖVP will die Regelung aber verschärfen: Es wird geprüft, ob der Familiennachzug an ein festes Einkommen des Flüchtlings in Österreich gebunden werden kann – sowie an ausreichenden Wohnraum und eine Krankenversicherung. Dieser Plan hat zwei Haken. Nummer eins: Laut EU-Richtlinie müssen sich Flüchtlinge nicht selbst erhalten. Nummer zwei: Der Koalitionspartner SPÖ lehnt die Pläne ab. „Das ist für uns kein Thema“, sagte Verteidigungsminister Gerald Klug zur „Presse“. Bisher kamen heuer rund 4300 Familienangehörige nach Österreich. 2014 waren es 2000.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.10.2015)

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