Nach der Zustimmung des Föderationsrates begann Moskau am Mittwoch mit Luftangriffen auf Feinde des syrischen Präsidenten. Bodentruppen sollen nicht zum Einsatz kommen, verspricht Moskau.
Wien/Moskau. Am Mittwoch erreichte Russlands Intervention in Syrien eine neue Qualität. Nachdem am Vormittag der Föderationsrat einstimmig dem Gesuch von Präsident Wladimir Putin für einen Militäreinsatz stattgab, flogen russische Flugzeuge am Nachmittag bereits Luftangriffe. Angeblich sollten in der Region Homs IS-Stellungen getroffen werden. Allerdings befinden sich laut Angaben syrischer Aktivisten dort keine Kämpfer des Islamischen Staates (IS), sondern nur Rebellengruppen wie die Freie Syrische Armee, die nicht nur gegen Assad, sondern auch gegen den IS kämpfen. Französische und US-Diplomaten gingen zunächst ebenfalls davon aus, dass die russischen Angriffe nicht dem IS galten.
Präsident Putin bezeichnete am Mittwoch Russlands Intervention im Syrien-Konflikt als „einzigen Weg im Kampf gegen den internationalen Terrorismus“. Moskau werde die syrische Armee so lang unterstützen, bis diese ihren Kampf beendet habe, sagte er bei einem Treffen mit Regierungsvertretern in Moskau. Seit Monaten greift eine US-geführte Allianz Stellungen des IS in Syrien und im benachbarten Irak aus der Luft an.
Moskau habe seine Partner über sein Vorgehen informiert, hieß es. Die Nato kritisierte die russische Attacke als „nicht konstruktiv“. Putin ist der wichtigste Verbündete von Syriens Präsidenten, Bashar al-Assad. Vor der UN-Vollversammlung hat sich der russische Präsident nun klar dafür ausgesprochen, dass Assad in der politischen Zukunft Syriens eine Rolle spielen soll. Im Westen ist man sich derzeit nicht einmal einig darüber, ob man Assad in Gespräche einbeziehen soll.
Vorerst keine Bodentruppen
In Putins Vorlage für den Föderationsrat ist vom Einsatz „eines Kontingents der russischen Streitkräfte außerhalb russischen Territoriums“ die Rede. Nach Angaben des Vorsitzenden, Sergej Iwanow, seien damit Luftschläge gegen die Jihadisten-Miliz Islamischer Staat vorgesehen, nicht aber der Einsatz von Bodentruppen. Der Vizechef des Generalstabs, Nikolaj Bogdanowskij, erklärte gegenüber Interfax, dass Wehrdienstleistende nicht für die Operation eingesetzt würden. Angeblich würden nur Offiziere und Zeitsoldaten, die sich freiwillig meldeten, entsandt. Tschetscheniens Präsident, Ramsan Kadyrow, hingegen wünscht sich auch den Einsatz von Bodentruppen in Syrien. An der Seite des IS und syrischer islamistischer Rebellen kämpfen zahlreiche Tschetschenen.
Bereits in den vergangenen Wochen hatte Moskau seine Militärpräsenz in Syrien empfindlich aufgestockt. Mehr als ein Dutzend Transportmaschinen landeten in den vergangenen zwei Wochen mit Ausrüstung und Personal auf dem Stützpunkt Hmeimim in der westsyrischen Provinz Latakia. Die Region ist eine Hochburg von Assad. Mehrere tausend russische Soldaten dürften sich mittlerweile in Syrien aufhalten – ihre seit Sommer auftauchenden Profile in sozialen Netzwerken wie VKontakt sind nicht zuletzt Zeugnis davon. Schon länger berichten syrische Militärs von russischen Experten, etwa Ausbildnern und Aufklärungseinheiten.
Kalkulierte Entspannung in der Ukraine
An einem anderen Kriegsschauplatz ist derzeit Entspannung zu spüren. Zufall ist das keiner: Während Putin in Syrien die Staatengemeinschaft mit seinem Vorpreschen überrascht, signalisiert er in der Ostukraine Gesprächsbereitschaft. So präsentiert er sich als Staatsmann und Peacemaker. Gestern wurde unter OSZE-Vermittlung in Minsk eine Einigung über den Abzug von Waffen mit einem Kaliber unter 100 Millimetern erreicht.
Weitere Bewegung könnte am Freitag der Pariser Gipfel mit Frankreich, Deutschland, Russland und der Ukraine bringen. Beobachter erwarten eine Konzentration auf die Lokalwahlen, die in den Separatistengebieten an eigenen Terminen stattfinden werden, und nicht wie in der übrigen Ukraine am 25. Oktober. Während die Ukraine unter dem Druck des Westens steht, den Friedensprozess nicht zu gefährden, hat Russland vor allem ein Ziel: Es möchte Kiew zu direkten Gesprächen mit den Machthabern im Donbass zwingen. Eine Anerkennung der Wahlgänge bedeutet eine Legalisierung des Regimes.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.10.2015)