Strache: "Bin kein Gralsritter des Nulldefizits"

Heinz-Christian Strache beim Wahl-Interview mit „Presse“-Chefredakteur Rainer Nowak und Wien-Ressortleiterin Ulrike Weiser.
Heinz-Christian Strache beim Wahl-Interview mit „Presse“-Chefredakteur Rainer Nowak und Wien-Ressortleiterin Ulrike Weiser.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Heinz-Christian Strache hat nichts dagegen, „links“ zu sein. Und er findet: Man müsste überlegen, die Verantwortung für Flüchtlinge nach Kontinenten aufzuteilen.

Die Presse: Die Innenministerin schließt Gewalt bei der Grenzsicherung nicht aus. Können Politiker wie Sie mit Bildern etwa von einem Tränengaseinsatz leben?

Heinz-Christian Strache: Ich glaube, dass man das verhindern kann. Aber wir müssen mit den Realitäten leben. Deutschland nimmt weniger Menschen auf, es ist davon auszugehen, dass sie die Grenzen zumachen. Darauf müssen wir reagieren: Entweder kommen im derzeitigen gesetzlosen Zustand weiter alle zu uns. Oder wir sagen wie Orbán Stopp und sichern die Grenzen. Man könnte auch Schnellverfahren wie in der Schweiz einführen.

Finden Sie es eigentlich richtig, was Orbán macht: Die Flüchtlinge zu uns zu schicken?

Das haben wir Werner Faymann zu verdanken, er hat Orbán signalisiert, dass er das machen kann. Und Faymann agiert ebenso. Er schickt die Flüchtlinge nach Deutschland weiter. Aber Deutschland lässt immer weniger hinein. Wir lassen alle zu uns.

Orbán wollte Sie ja ursprünglich treffen. Kommt es noch dazu?

Stimmt, man ist an mich herangetreten. Aber als das bekannt wurde, kam der Termin auf Druck unserer Regierungsspitze nicht zustande. Das Treffen wurde verschoben.

Auf wann?

Das sage ich nicht vorher. Ich habe aus der Geschichte gelernt.

Derzeit gibt es in Wien tausende Flüchtlinge in Notquartieren. Was würde sich ändern unter einem Bürgermeister Strache?

Es stimmt, der Bürgermeister hat nicht die Kompetenz der Grenzsicherung. Außerdem gibt es nun durch einen rot-grün-schwarzen Verfassungsbeschluss künftig eine völlig inakzeptable Zwangszuteilung für Gemeinden.

Sie könnten also nichts ändern?

Ich könnte meine Stimme erheben und Druck auf die Bundesregierung machen.

Sie geben als österreichweite Höchstgrenze für Flüchtlinge 10.000 an. Wie kommen Sie auf diese im Vergleich zum Bosnien-Krieg niedrige Zahl?

Wenn man alles bedenkt – Integration, Wohnen, Arbeitsplätze –, schaffen wir zusätzlich zur bestehenden Zuwanderung maximal 10.000 bis 15.000 Aufnahmen pro Jahr. Sonst kommt es zu Problemen. Ich kenne Ordensschwestern, die an der Grenze im Einsatz sind, und mir erzählen, dass sie bei über dreißig Prozent der Flüchtlinge vor Ort ein irrsinnig großes Aggressionspotenzial erleben.

Würden Sie bei Flüchtlingen unterscheiden, ob es Christen oder Moslems sind?

Prinzipiell nicht. Die Verantwortung gilt in erster Linie gegenüber Frauen und Kindern, dann aber schon auch den verfolgten Christen im Nahen Osten. Ich bin mit Namenslisten des syrisch-orthodoxen Bischofs zur Innenministerin gegangen und musste erleben, dass viele nicht aufgenommen werden.

Aber die Genfer Konvention kennt keine Unterscheidung nach Religion. Wer verfolgt wird, bekommt Schutz.

Man muss über die Sinnhaftigkeit der Konvention nachdenken, ob nicht Probleme, die auf anderen Kontinenten herrschen, jeweils dort gelöst werden müssen. Wenn Saudiarabien oder Katar keine Flüchtlinge aufnehmen, dann spricht das nicht für die muslimische Solidarität in der Region.

Haben wir das richtig verstanden? Europa soll nur Flüchtlinge aus Europa aufnehmen?

Wir müssen das zumindest diskutieren.

Ich würde Ihnen gerne ein Zitat vorlesen. Es betrifft die FPÖ-Demo vor dem Asylheim in Wien-Erdberg im Juni. Es lautet: „Ich halte es für dumm, das hätten sie sich sparen können.“ Wissen Sie, von wem das stammt?

Das ist für mich nicht wesentlich.

Vielleicht doch. Es ist von Paul Stadler, der in Simmering vielleicht der erste blaue Wiener Bezirksvorsteher wird. Hat er recht?

Er hat wohl gemeint, dass man auf diesen Aktionismus hätte verzichten können, und ich gebe ihm recht: Es war nicht nötig. Aber die Demo wurde medial verzerrt dargestellt.

Glauben Sie, dass sich die FPÖ in Oberösterreich auch ohne Flüchtlinge verdoppelt hätte?

Das war doch auch in der Steiermark so, da gab es noch keine Flüchtlingskrise.

Da standen schon Zelte.

Ja, aber die Dimension von heute war noch lange nicht erreicht.

Wechseln wir wieder nach Wien und zum Thema Geld. Wo würden Sie denn sparen?

Es braucht natürlich einen Kassasturz, aber es gibt viele Bereiche wo man sparen kann, z. B. bei den Subventionen für parteinahe Vereine . . .

. . . die gibt es auch für FPÖ-nahe.

Auf diese Promille könnte ich verzichten. Als Bürgermeister würde ich alle Subventionen für parteinahen Vereine streichen. Auch der sogenannte „Rasen am Ring“ gehört abgestellt. Das bringt Staus und ist wirtschaftsfeindlich.

Einen Sparklassiker haben Sie nicht genannt: Die Pensionsreform wird für Wiener Beamte später wirksam. Würde man sie vorziehen, würde das Millionen bringen.

Da bin ich vorsichtig. Man soll nicht auf Menschen, sondern auf das System losgehen.

Aber das ist ein Systemfehler, auf den Experten stets hinweisen. Da wollen Sie nicht hingreifen?

Mittelfristig wird das nötig sein, aber mir ist wichtig, dass jeder Beamte und Vertragsbedienstete weiß, dass ich niemanden entlassen würde.

Warum eigentlich?

Weil das wichtig ist. Die brauchen Sicherheit und Kontinuität.

Aber die habe ich in der realen Wirtschaft auch nicht.

Ich finde, wir haben gute Beamte, sie müssten nur da und dort besser eingesetzt werden.

Wir fragen nach Einsparungen, weil Sie viel versprechen: eine U-Bahn nach Mödling und Klosterneuburg, eine Erhöhung der Bezirksbudgets um 250 Mio. Euro, Gratisparkpickerl für Wiener. Was wird das alles kosten?

Mein Budgetexperte, der Eduard Schock, hat errechnet, dass wir ein Drittel der Ausgaben umlenken könnten.

Aber wie viel würden Ihre Wahlversprechen kosten?

Konkrete Zahlen kann ich noch nicht nennen, aber es wäre durch Umschichtungen finanzierbar.

Könnten Sie sich etwa eine Privatisierung von Unternehmen der Stadt Wien vorstellen?

Soziale Gemeindebauten werde ich sicher nicht privatisieren. Im Gegenteil. Wir brauchen mehr leistbaren Wohnraum, damit reguliert man auch die Mietpreisexplosion.

Wenn ich die Augen schließe, dann könnte das auch gerade jemand von der SPÖ gesagt haben. Sie argumentieren sehr links.

Ja, von mir aus. Der Staat hat im Bereich der Daseinsvorsorge, der Gesundheit und der Sicherheit nicht zu privatisieren. Das ist die Verantwortung gegenüber dem Bürger.

Würden Sie sich ans vereinbarte Nulldefizit 2016 halten?

Auf Dauer muss es das Ziel sein, aber ich muss mir die Finanzen der Stadt erst genau ansehen.

Sollte man für Infrastruktur-Investitionen zusätzlich Schulden machen dürfen?

Ich bin kein Gralsritter des Nulldefizits. Aber neue Schulden dürften nur für neue Arbeitsplätze und die Ankurbelung der Wirtschaft gemacht werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.10.2015)

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