Wie Berlin sein Asylrecht verschärft und gleichzeitig Regeln lockert

Deutschlands Innenminister Thomas de Maizière.
Deutschlands Innenminister Thomas de Maizière.(c) REUTERS (HANNIBAL HANSCHKE)
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Noch im Oktober will die Bundesregierung ein Gesetzespaket für Asylwerber auf den Weg bringen. Für jene, die aus sicheren Herkunftsländern stammen, wird es härter.

Berlin. Bayern kann und will nicht mehr länger zusehen. Allein im September kamen mehr als 170.000 Flüchtlinge im südlichsten Bundesland an. In ganz Deutschland werden heuer zwischen 800.000 und einer Million Menschen erwartet. Vor diesem Hintergrund will die deutsche Regierung ihre Gesetzeslage verschärfen. Noch im Oktober soll ein entsprechendes Paket auf den Weg gebracht werden.

Als besonders umstritten gilt der neueste Vorschlag: Die Bearbeitung von Asylverfahren direkt an der Landesgrenze. Innenminister Thomas de Maizière möchte dafür das sogenannte Flughafenverfahren anwenden. Dieses wird durchgeführt, wenn Flüchtlinge mittels Flugzeug aus einem sicheren Herkunftsland oder ohne gültige Papiere kommen. Die Betroffenen müssen so lange auf dem Flughafen warten, bis über ihre Einreise entschieden wurde. Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl kritisiert diese Pläne scharf, auch die SPD zeigt sich nicht erfreut.

De Maizière ließ offen, welche Personengruppen unter das Landverfahren fallen sollen. Angaben des Innenministeriums zufolge mache die sogenannte Asylverfahrensrichtlinie „den Mitgliedstaaten die Einführung eines Asylverfahrens vor der Entscheidung über die Einreise“ möglich. „Die Rechtsmittel gegen eine entsprechende Entscheidung wären die gleichen, die auch gegen entsprechende Ablehnungsbescheide außerhalb des Verfahrens an der Landgrenze möglich sind“, wie es heißt.

 

Balkanflüchtlinge chancenlos

Weil in Deutschland ein großer Teil der Antragsteller ursprünglich vom Balkan stammt, erweitert die Regierung den Kreis der sicheren Herkunftsländer um Albanien, den Kosovo und Montenegro. Menschen aus diesen Staaten haben kein Anrecht mehr darauf, langfristig in Deutschland zu bleiben. Und sie werden künftig bis zum Abschluss ihres Asylverfahrens in einer Erstaufnahmeeinrichtung untergebracht. Bisher war ein solcher Aufenthalt – für alle Flüchtlinge – nur für die Dauer von drei Monaten vorgesehen.

Zusätzlich dürfen die einzelnen Bundesländer Abschiebungen nur noch für die Dauer von drei Monaten „aus humanitären Gründen“ aussetzen. Lässt ein Flüchtling seine Ausreise verstreichen, wird ihm der Termin der Abschiebung nicht mehr im Vorfeld genannt. Damit will die Regierung ein Untertauchen verhindern.

In den Erstaufnahmeeinrichtungen gilt fortan das Prinzip „Sachleistungen statt Bargeld“. Allerdings nur, wenn dies auch mit „vertretbarem Verwaltungsaufwand“ möglich ist. Geldbeträge werden höchstens nur noch einen Monat im Voraus ausbezahlt. Damit will der Staat Fehlanreize vermeiden. Wer Deutschland trotz eines negativen Asylbescheids nicht verlässt, erhält nur noch minimale Leistungen „zur Deckung des Bedarfs“. Dazu gehören etwa Lebensmittel oder Mittel für Gesundheits- und Körperpflege.

Flüchtlinge haben in der Bundesrepublik das Recht, nach drei Monaten zu arbeiten. In den ersten 15 Monaten werden aber Bewerber aus Deutschland oder anderen EU-Staaten bevorzugt behandelt. Für Asylwerber aus sicheren Herkunftsländern, die ihren Asylantrag nach dem 1. September gestellt haben, gilt fortan ein „Beschäftigungsverbot“. Aber: Wer einen Ausbildungs- oder Arbeitsvertrag in Deutschland vorweisen kann, dem wird die legale Einreise erlaubt.

Asylwerber, die man als Fachkräfte betrachtet, haben das Recht, nach drei Monaten als Leiharbeiter tätig zu werden (vorher betrug die Frist vier Jahre). Zudem ist vorgesehen, dass Asylsuchende, die über eine fertige Ausbildung in einem medizinischen Heilberuf verfügen, Personal bei der Erstversorgung in Unterkünften unterstützen können. Integrationskurse für Asylwerber will der Bund nicht nur öffnen, es werden auch die Mittel dafür aufgestockt. (nst)

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.10.2015)


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