„Da waren Drohgebärden dabei“

FPÖ. Ein Streit zwischen FP-Sicherheitsteam und Polizei beschäftigt das Innenministerium.

GRAZ. Eier und wassergefüllte Plastiksackerln als Wurfgeschosse Richtung Bühne, Redner, die mit Regenschirmen geschützt werden, lauthals provozierende Demonstranten aus der linken Szene gegen aufgebrachte FPÖ-Sympathisanten – und dazwischen die Polizei: Die EU-Wahlkampfveranstaltung der Freiheitlichen am vorvergangenen Freitag auf dem Grazer Hauptplatz erfüllte die einschlägigen Erwartungen, waren doch schon Tage davor wechselseitige Beschimpfungen und da wie dort Mobilisierungsaufrufe kursiert.

Aber auch im Nachspann der Veranstaltung gibt es hinter den Kulissen Aufregung. Auslöser sind schwere Vorwürfe des Sicherheitsreferenten von FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache, Wolfgang Irschik, gegen den diensthabenden Behördenvertreter der Bundespolizeidirektion, Gerhard Lecker. In einem der „Presse“ vorliegenden Schreiben an Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) klagt Irschik über ein „Fehlverhalten, um gewalttätige Ausschreitungen zeitgerecht zu unterbinden“.

Detailliert weiß der Leibwächter in der Beschwerde von „gewalttätigen Randalierern“, „Geschoßhagel“ und einem „Gesamtbild einer katastrophalen Raumaufteilung“ der Polizei zu berichten. Irschik sei deshalb noch während der Veranstaltung auf Lecker zugegangen. „Plötzlich ist ein kahlköpfiger Mensch vor mir gestanden, hat sich nicht einmal vorgestellt, und ist mich angefahren, was ich tun werde“, bestätigt Lecker gegenüber der „Presse“ den Vorfall. „Da waren durchaus Drohgebärden dabei“, erinnert sich Augenzeugin Daniela Grabovac vom Menschenrechtsbeirat. Daraufhin sei Lecker als „unfähig und überfordert“ beschimpft und eine parlamentarische Anfrage an das Innenministerium angekündigt worden. „Ich habe ihm gesagt, er soll sich beruhigen, und ihm andernfalls mit einer Festnahme gedroht“, erinnert sich der Polizist.

Da war die bis dahin im Rathaus hinter der Bühne stationierte, rund 50-köpfige Spezialeinheit der Polizei bereits ausgerückt und versuchte für Ruhe zu sorgen. „Es ist immer eine Frage der Verhältnismäßigkeit“, verteidigt Lecker den zeitverzögerten Einsatz. „Wir haben anfangs bewusst auf einen martialischen Aufmarsch in voller Schutzkleidung verzichtet, auf der anderen Seite wurde verlangt, mit der vollen Wucht des Apparats hineinzufahren.“ Polizeiintern fallen Analysen des Vorfalls zweischneidig aus: Einerseits hätte man durch ein früheres Einschreiten die Eskalation verhindern können, heißt es inoffiziell. Andererseits wolle man der Taktik der FPÖ nicht Vorschub leisten, in eine kalkulierte Märtyrerrolle gegen den „gewaltbereiten Linksmob“ (FPÖ-Abgeordnete Susanne Winter) zu schlüpfen. Für die FPÖ entstand jedenfalls „der Eindruck eines Versteckens des Einsatzleiters aus Furcht vor den gewaltbereiten Randalierern“. Die Vorwürfe will Lecker sich nicht gefallen lassen und kündigt rechtliche Schritte an.

Der Verfassungsschutz ermittelt gegen jugendliche FPÖ-Anhänger, die beim Hitler-Gruß und „Heil“-Rufen erwischt worden sein sollen. Parallel laufen Untersuchungen gegen linke Provokateure, die FPÖ-Mitglieder attackiert haben.

IM WORTLAUT

Vorwurf im FPÖ-Schreiben:
„Als ich fragte, ob das einfach persönliche Unfähigkeit oder gar parteipolitisch motiviert sei, gab er an: ,Fragen Sie an bei wem und was sie wollen. Das ist mir völlig egal. Und jetzt verschwinden Sie, sonst nehme ich Sie fest!'“

Reaktion von Polizist Lecker:
„Plötzlich ist ein kahlköpfiger Mensch vor mir gestanden, hat mich als unfähig und überfordert beschimpft, ist mich angefahren, was ich tun werde, und hat eine Anfrage an das Innenministerium angekündigt.“

Kritik an der Kleidung:
„Das Tragen der Zivilkleidung, welche einen heruntergekommenen Eindruck machte, verstärkte den Eindruck eines ,Versteckens'.“

Reaktion von Lecker:
„Es waren eine schwarze Versace-Jeans, ein Ralph-Lauren-T-Shirt und ein Joop-Sakko.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.05.2009)

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