Strache gewinnt mit Haiders Spiel

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Keiner redet mehr über die EU-Wahl, alle reden über die FPÖ. Wie macht das der Strache?

Wie macht das der Strache?

Keiner redet mehr über die EU-Wahl, die am kommenden Wochenende über die politische Bühne gehen wird. Alle reden darüber, ob die FPÖ eine Nazi-Partei ist, ob die FPÖ-Wahlpropaganda Parallelen zur Machtergreifung der Nationalsozialisten in den 30er-Jahren aufweist – und vor allem: Die FPÖ kann die Frage stellen, wer hier das Opfer ist. Die Ausländer, die Türkei, Israel, die jüdische Gemeinde, die Europäische Union, die Regierungsparteien, also alle, die von Straches genial-skrupellosem Sprücheklopfer Herbert Kickl weit jenseits der Anstandsgrenze angegriffen werden? Oder doch die FPÖ selbst, deren Repräsentanten und Wähler damit – aus der Sicht vieler ihrer Wähler: ungerechtfertigt – „ins Nazi-Eck gestellt“ werden?

Strache und seine FPÖ brauchen auf diese Frage nicht wirklich eine Antwort. Ihre Rechnung geht schon auf, wenn es ihnen gelingt, ihre Gegner so lange zu provozieren, dass die empörten, oft überzogenen Gegenreaktionen ihnen die Möglichkeit geben, sich, vor allem aber ihre potenziellen Wähler zu Opfern zu erklären: Sie bauen darauf, dass ein Wiener Jugendlicher, der die FPÖ gewählt hat, weil alle anderen Parteien so tun, als sei seine Angst vor der Aggression türkischer Gangs ein erstes Anzeichen rechtsextremer Gesinnung, beim nächsten Mal „erst recht“ die Partei wählt, die ihm den Eindruck vermittelt, sein Problem ernst zu nehmen. Und darauf, dass jene 40 Prozent der österreichischen Bevölkerung, die laut der jüngsten IMAS-Umfrage „Österreich als christliches Land bewahren“ möchten – was immer das dann konkret bedeuten mag –, nicht leicht verstehen werden, warum die Partei, die „Abendland in Christenhand“ plakatiert, eine Nazi-Partei sein soll. Noch weniger verstehen die, warum die Hüter der politischen Korrektheit alles, was „rechts“ ist – also nach dem Selbstverständnis der erwähnten 40 Prozent konservativ, traditions- und religionsgebunden –, für schlecht erklären. Ist es wirklich eine Überraschung, wenn ein Gutteil dieser Menschen sich von der Opferstrategie der FPÖ angesprochen fühlt?

Die Antwort auf die Frage „Wie macht das der Strache?“ lautet also: Der Strache macht das wie der Haider. Der hat in den 90er-Jahren exakt dasselbe Provokationsspiel gespielt: Auf der Grundlage realer Probleme und Ängste – des Proporz-Unwesens und des Beginns der Zuwanderungsströme nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und dem Ausbruch des Jugoslawien-Krieges – provozierte er die „Altparteien“ durch Parolen, die mit fremdenfeindlichen und NS-verharmlosenden Codes operierten. Seine Gegner setzten auf „Ausgrenzung“, das heißt auf die Behauptung, dass sich Haiders FPÖ „außerhalb des Verfassungsbogens“ befinde, dass mit ihr „kein Staat zu machen“ sei – und mobilisierten damit auch jene Wähler, die nicht akzeptieren wollten, dass ihr Zorn über den Proporzfilz plötzlich ein Ausweis undemokratischer Gesinnung sein sollte. Auf dem Höhepunkt dieser Auseinandersetzung, bei der Bildung der „Wende“-Regierung im Jahr 2000, gipfelte diese Strategie in der Behauptung, dass eine Regierungsbeteiligung der FPÖ gegen die „demokratischen Werte“ verstoße.


Die Einschätzung dessen, was dann passierte, sorgt noch immer für Debatten: Zeigt der Umstand, dass das „dritte Lager“ nach dem Ende der Mitte-rechts-Regierung dezimiert war, dass Einbindung das erfolgreichere Rezept zur Neutralisierung des Rechtspopulismus ist? Dafür spricht der Umstand, dass HC Strache an einer Regierungsbeteiligung deutlich weniger Interesse zeigt als das „Original“ Jörg Haider. Oder ist es so, dass erst die Regierungsbeteiligung der FPÖ den Rechtspopulismus so salonfähig gemacht hat, dass die FPÖ heute wieder (fast) in alter Stärke agieren kann?

Heute wie damals hat die „Ausgrenzungs“-Strategie einen entscheidenden Schwachpunkt: Sie entpuppt sich als parteipolitisches Kalkül unter dem Deckmantel der moralischen Empörung. Natürlich ist es legitim, auch gegen alle parlamentarischen Usancen einen Kandidaten, den man nicht für würdig hält, nicht zu wählen. Aber es ist nicht wirklich überzeugend, wenn Abgeordnete, die ihn seinerzeit aus parteitaktischen Gründen gewählt haben, ihn jetzt per Gesetz entfernen wollen. Es weckt eher den Verdacht, dass erneut parteitaktisch agiert wird.

Die Alternative dazu ist nicht das Ignorieren der FPÖ-Ungeheuerlichkeiten. Man soll jene Rechtsextremen, die es in der Führung der FPÖ gibt, weiterhin Rechtsextreme nennen, man soll sich, wie die Kirche, gegen billige Vereinnahmungsversuche wehren. Aber die Regierungsparteien, vor allem Werner Faymanns SPÖ, versuchen derzeit, zur Mobilisierung der eigenen Anhängerschaft die Wähler der FPÖ zu Wiedergängern der 30er-Jahre-Mitläufer zu machen. Weil diese sich – fälschlicherweise – von Herrn Strache die Lösung von Problemen erhoffen, die sie der Unfähigkeit der Regierungsparteien verdanken. Das unterscheidet sich in seiner moralischen Qualität nicht wirklich von der Strategie der FPÖ.

Und es wird, noch schlimmer, nicht erfolgreich sein.


michael.fleischhacker@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.05.2009)

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