Swoboda: „Der ,Krone-Brief‘ ist nicht genug“

(c) Reuters (Christian Bruna)
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SPÖ-Listen-Erster Swoboda will die Österreicher über eine Sozialunion abstimmen lassen. Einen Türkei-Beitritt lehnt er ab, eine Balkan-Erweiterung nicht. Im „A-Team“ sähe er sich am ehesten in der Rolle des Piloten.

Die Presse: Sie treten am 7. Juni mit dem „A-Team“ an. Welchen Einsatz planen Sie als Erstes?
Hannes Swoboda: Wir wollen eine Bewegung für das soziale Europa starten, konkret einen sozialen Vertrag – formell ist es ein Sozialprotokoll – entwerfen. Er soll den EU-Vertrag von Lissabon, der hoffentlich kommt, ergänzen.


Die Europäische Volkspartei liegt in Prognosen vor den Sozialdemokraten. Ist Kommissionspräsident Barroso noch zu verhindern?
Swoboda: Wenn wir die stärkste Gesamtfraktion werden, bin ich nicht so sicher, dass er bleibt. Die Wahl ist für mich ein Zwischenereignis, das zeigen wird, dass es so nicht weitergeht. Weil sonst eine kleine Gruppe Bürgerlicher für, der Rest aber gegen Europa wäre, mit immer mehr Anti-Europäern. Wir müssen eine Spaltung verhindern.


Warum will die SPÖ nicht den EU-Kommissar stellen?
Swoboda: Ich wünsche mir einen sozialdemokratischen oder, sagen wir so, einen sozial orientierten Kommissar. Ob von der SPÖ oder SPÖ-nahe oder ein Unabhängiger, muss man sich anschauen.


Offenbar hat man der ÖVP den Wegschon frei gemacht.
Swoboda: Das sehe ich nicht so. Vielleicht will Barroso jemanden, der zumindest auch die soziale Orientierung ausdrückt, wenn er schon wieder Präsident wird.


Stünden Sie grundsätzlich zur Verfügung?
Swoboda: Das ist nicht mein Ziel, absolut nicht mein Ziel. Ich bin fürs Parlament.


Aber würden Sie gefragt, sagten Sie nicht Nein?
Swoboda: Ich kann nicht fürs soziale Europa eintreten und dann, wenn ich gefragt würde, Nein sagen. Das geht nicht. Aber das ist nicht meine Perspektive.


Halten Sie Platz eins für die SPÖ für sicher?
Swoboda: Für absolut nicht sicher. Wenn es uns in den nächsten Tagen nicht noch gelingt zu mobilisieren, bin ich sehr skeptisch.


Wie viele Mandate sind realistisch?
Swoboda: Ich hoffe natürlich auf sechs bis sieben. Aber das ist noch sehr ungewiss.


Voriges Jahr haben Sie zum „Kronen Zeitung“-Brief von Faymann und Gusenbauer gesagt, er sei alles andere als glücklich. Es müsste eine Alternative zu einer Volksabstimmung über neue EU-Verträge geben. Heute haben Sie sich mit dieser Haltung offenbar ausgesöhnt.
Swoboda: Ja, dass wir heute kritisch zur EU stehen, ist klar. Aber ich habe auch damals geschrieben, dass Abstimmungen in Zukunft anders erfolgen müssten und dass es keinen Sinn hätte, dass ein Land die anderen in Geiselhaft nehme. Über einen Sozialvertrag,in dem beschäftigungs- und sozialpolitische Ziele festgelegt werden, kann ich mir vorstellen, dass in Österreich abstimmt wird.


Es hält sich hartnäckig das Gerücht, dass vor allem Sie, als Spitzenkandidat, sich auf die EU-Linie der Partei – siehe „Krone“-Brief – verpflichten mussten. Stimmt das?
Swoboda: Das ist absoluter Unsinn. Ich habe mich nie verpflichten müssen. Noch dazu wollte ich ja gar nicht Spitzenkandidat werden. Daher hätte ich mich auch nicht verpflichtet. Aber in Zukunft wäre es besser, dass bei weiteren Stufen der Integration jedes Land entscheidet, ob es mitmacht. Das kann in Österreich durchaus in Form einer Volksabstimmung sein.


Wen hätten Sie lieber als Spitzenkandidaten gesehen, und wie fühlen Sie sich jetzt in der Rolle?
Swoboda: Das war nicht meine Aufgabe, jemanden auszusuchen. Ich habe nur gesagt: Wenn die Partei mit meiner Arbeit nicht zufrieden ist, wenn es nicht genügt für die Spitzenkandidatur, dann hätte ich nichts dagegen, wenn sie jemand anderen wählt. Ich fühle mich jetzt sehr wohl, weil ich eine Aufgabe sehe – nämlich die Leute wieder zu mobilisieren für ein anderes Europa. Der „Kronen Zeitung“-Brief ist nicht genug. Ich kann nicht schreiben: Wir wollen euch mitreden lassen, und dann lassen wir sie nicht mitreden. Ich will weiter gehen. Sie sollen mitreden, zum Beispiel in Form einer Volksbefragung über europäische Themen.


Was unterscheidet Sie von „Krone Zeitung“-Chef Hans Dichand und seiner Linie?
Swoboda: Dass er einem einzigen Kandidaten viel Platz gibt. Das ist keine demokratische Vorgehensweise. Von Hans-Peter Martin gibt es nichts an konkreten Vorschlägen, was Beschäftigung und soziale Union betrifft – es ist nur Polemik gegen die EU und das Europäische Parlament, das miesgemacht wird, ohne irgendwelche alternativen Vorschläge zu machen.
Zum EU-Beitritt der Türkei werden Ihre Töne immer schärfer.
Swoboda: Nicht schärfer. Mich unterscheidet, dass ich nicht hetze. Ich habe schon 2008 gesagt, dass wir mit einem Türkei-Beitritt nicht zurande kommen. Da soll auch die Regierung, der Außenminister die Konsequenzen ziehen und sagen: Wir kommen nicht zu einem Beitritt, aber wir brauchen ein gutes Verhältnis mit der Türkei, eine Zwischenstufe. Und dann wird man in zehn, fünfzehn Jahren sehen, ob wir zurande kommen.


Wann soll es mit Kroatiens Beitritt so weit sein, was erwarten Sie?
Swoboda: Wenn es sich im Grenzstreit mit Slowenien bald einigt, dann frühestens 2012. Weil wir mit den Beitrittsverhandlungen frühestens 2010 fertig sein werden. Und dann braucht man Monate, bis man mit der Ratifizierung beginnen kann, die wiederum sicher eineinhalb Jahre braucht.


Und dann ist Schluss mit Aufnahmen?
Swoboda: Nein, sicher nicht. Dann sollte auch nicht Schluss sein. Es geht um unsere Nachbarn, da haben wir kein Interesse, dass ein schwarzes Loch entsteht, sondern die wirtschaftliche Entwicklung soll vorangehen. Man muss schauen, dass man bald mit Mazedonien zu verhandeln beginnen kann.


Ihre Wahlwerbung spielt auf das „A-Team“, die US-Serie, an. In welcher Rolle der Viererbande, die da auftritt, sehen Sie sich am ehesten?
Swoboda: Ich habe das vor langer Zeit gesehen. Ich habe keine persönliche Identifizierung mit einem der Helden. A steht bei uns eigentlich für Österreich und 1a-Qualität.


Das „A-Team“ ist ja ein ganz lustiges Team aus Verkleidungskünstler, Hochstapler, Pilot mit Wahnvorstellungen und einem schlecht gelaunten Mechaniker. Da sehen Sie also keinerlei Parallelen?
Swoboda: Nein, wirklich nicht. Wenn ich mich auch normalerweise mit dem Piloten identifizieren würde. Aber nicht mit einem, der Wahnvorstellungen hat! Das ist mir als Vielflieger viel zu gefährlich.

ZUR PERSON

Hannes Swoboda, 62, Jurist, ist seit 1996 Mitglied des EU-Parlaments. Der anerkannte Balkan-Experte ist derzeit Vizevorsitzender der Delegation für die Beziehungen zu Südosteuropa sowie Vizevorsitzender der SPE-Fraktion. Bei der EU-Wahl am 7. Juni ist er SPÖ-Spitzenkandidat.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.06.2009)

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