Wien-Wahl: Der Wahlkampf kam ohne die Jugend aus

(c) APA/ROLAND SCHLAGER
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66.282 Jugendliche dürfen am Sonntag zum ersten Mal wählen, ein Fünftel der Wahlberechtigten ist jünger als dreißig Jahre. Die Parteien haben sich im Wahlkampf dennoch nur mäßig um diese Gruppe bemüht.

Wien. Die einen haben Kaiserin Sisi ein Nasenpiercing verpasst „für ein lässiges Wien“. Die anderen geben Tipps, wie man „fair vögeln“ kann (mit Kondomen aus fair gehandeltem Naturkautschuk nämlich). Der eine Spitzenkandidat rappt (wie immer), der andere bemüht sich als DJ Mandy in Wiener Klubs um ein junges Publikum. Man sieht: Die Grenze zwischen authentisch und peinlich ist oft eine fließende, wenn Politiker versuchen, junge Wähler anzusprechen. (Da muss man gar nicht an Sebastian Kurz und sein „Geil-o-mobil“ zurückdenken.)

Wobei: Die ganz großen Peinlichkeiten sind diesmal ausgeblieben, was auch daran liegen mag, dass keine Partei die Jungwähler intensiv beworben hat. „Es gab punktuelle Aktionen“, sagt Philipp Ikrath vom Institut für Jugendkulturforschung, „aber insgesamt war das Bemühen um die Jungen nicht so stark ausgeprägt wie bei den vergangenen Wahlen.“ Wobei die Jungen gar keine kleine Gruppe sind: Ein Fünftel der Wahlberechtigten bei den Gemeinderatswahlen ist jünger als 30 Jahre (konkret: 231.911). 66.282 Jugendliche wählen überhaupt zum ersten Mal. (Auf Bezirksebene, wo auch EU-Bürger wahlberechtigt sind, sind es 74.469). Eigene Themen für Jungwähler seien aber im Grunde gar nicht nötig, sagt Ikrath. Bildung, Gesundheit und Wohnen stehen bei Jugendlichen laut einer Befragung des Instituts ganz oben – damit unterscheiden sie sich kaum vom Rest der Wahlberechtigten.

Was es aber brauche, sei eine jugendgerechte Sprache, eine andere Ästhetik und andere Kanäle abseits von TV-Spots und Dreiecksständern – allen voran die sozialen Medien. Auf Facebook posten fast alle Parteien im Wahlkampf regelmäßig. Allerdings hat Facebook den Nimbus des Jugendmediums längst eingebüßt, seit auch die Elterngeneration das Netzwerk für sich entdeckt hat. Viele Junge sind daher längst auf Instagram umgestiegen.

Unbedarft im Internet

Doch die Politik zeigt sich auf dieser Fotoplattform oft reichlich unbedarft. Da, wo es um starke, ästhetische Bilder geht, ist es eben nicht genug, „x-beliebige Fotos von Wahlkampfveranstaltungen zu posten“, meint Ikrath. Auch der Wahlkampf via Youtube sei mäßig gelungen. „Da kann man sich nicht vor eine weiße Wand mit dem Parteilogo stellen und irgendwas erzählen.“ Man müsse „viel direkter, viel provokanter, viel ironischer“ sein.

Aufgefallen sind in Sachen Jugend am ehesten die Grünen – so karikierten die Jungen Grünen das eher peinliche Jugendmagazin „Eva“ der Mutterpartei mit einem eigenen Magazin. Die Neos wiederum nutzten die Dating-App Tinder, um ihre Kandidaten mit potenziellen Wählern in Kontakt zu bringen.

So desinteressiert an der Politik, wie ihnen oft unterstellt wird, sind Jugendliche im Übrigen nicht: Ihre Wahlbeteiligung lag, wie Eva Zeglovits, Geschäftsführerin des Instituts für empirische Sozialforschung (Ifes), in einer Studie aufzeigt, bei den Gemeinderatswahlen 2010 nicht wesentlich unter der allgemeinen (67,6 Prozent): Vor allem bei den 16- und 17-Jährigen war sie mit 64,2 Prozent hoch – der sogenannte „first time voter boost“.

Junge wählen Rot und Grün

Bei den älteren Jugendlichen (18 Jahre und älter) sinkt die Wahlbeteiligung etwas, vor allem, wenn sie nicht mehr zu Hause leben, etwa zum Studium in eine andere Stadt gezogen sind. „Da wird das Wählen vielen zu aufwendig“, so Zeglovits. Im internationalen Vergleich habe Österreich aber eine hohe Wahlbeteiligung unter jungen Wählern. Die Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre (in Wien seit 2005) – verbunden mit Vorbereitungsmaßnahmen in Schulen – habe sich positiv auf das Interesse an Politik ausgewirkt.

Im Wahlverhalten unterscheiden sich Wiens Jungwähler von den Älteren: 2010 schnitten SPÖ und Grüne bei Jungen besser ab als im Durchschnitt. Auch bei den Wahlen am Sonntag liegt – glaubt man dem Institut für Jugendkulturforschung – bei den 16- bis 29-Jährigen die SPÖ mit 34 Prozent vorn. Es folgen die Grünen (21 Prozent), die FPÖ liegt mit 19 Prozent auf Platz drei, die ÖVP (4 Prozent) sogar hinter den Neos (7 Prozent).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.10.2015)

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