Trennung von Tisch und Bett

Ehe. Paare haben seit dem Mittelalter das Kirchenrecht, sich zu trennen: Gleichzeitig bleibt die Ehe bestehen. Seither nutzen das primär Frauen.

Bis 1938 gab es in Österreich nur religiöse Ehen – entweder nach katholischem, evangelischem oder jüdischem Recht. Österreich übernahm umgehend nach dem Anschluss an das Dritte Reich das deutsche Eherecht und damit war die Zivilehe gültig. Ehen können erst seither zivil geschieden werden. Kirchliche Ehen scheidet hingegen nur der Tod eines Partners oder die Annullierung.

Dass das Verbot von Scheidungen an der Lebensrealität von streitenden Ehepaaren vorbeiging, erkannten Kleriker früh: „Mittelalterliche Kirchenväter erfanden daher das Institut, also das gesetzlich verankerte Recht, zur Trennung von Tisch und Bett“, sagt Andrea Griesebner, Professorin für neuere Geschichte an der Uni Wien. Dieses „Institut“ erlaubte es den Paaren, getrennt zu wohnen, „Tisch und Bett nicht mehr teilen zu müssen“. Sie blieben aber verheiratet, da das Sakrament der Ehe heilig war und ist. Griesebner will in ihrem vom Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF) geförderten Projekt „Eheprozesse zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert“ mehr zu den Ehekonflikten und Trennungen herausfinden.

Bereits im Vorgängerprojekt erhob sie mit ihrem Team circa 2000 Eheprozessakten, die vor kirchlichen Konsistorien in „Österreich unter der Enns“, also Niederösterreich und Wien, verhandelt wurden. In den Kirchenquellen standen zumeist nur die Namen der Prozessbeteiligten, nicht aber ihre regionale oder soziale Zugehörigkeit. Die Forscherin versucht nun über digitalisierte Kirchenbücher und weltliche Quellen näher an die Personen heranzukommen: Das sei wichtig, da die Ehegerichtsbarkeit nicht an ständische Privilegien gekoppelt war. Das heißt: Ob Tagelöhner, Knecht, Bauer oder hoher Adeliger – alle mussten bei ihrer Diözese um ihr Scheidungsrecht ansuchen.

Das Privileg von Ehe und Scheidung

Die kirchliche Ehe ist für viele bis heute ein wichtiger Teil des Lebens. Sie zu vollziehen war lang ein Privileg: Nur wer ökonomisch abgesichert war – und das dem Grundherrn beweisen konnte –, durfte heiraten. Scheidungen mussten ebenso gut begründet sein: Ehebruch, physische Gewalt und hoch ansteckende Krankheiten wie etwa Syphilis, überzeugten die kirchlichen Richter.

Ehen sind ein Spiegel der Gesellschaft: Welches Verhalten des Ehepartners jeweils als intolerabel empfunden wird, ist mit der gesellschaftlichen Situation der Zeit verbunden. Eines ist aber klar: „Seit dem Mittelalter machen primär Frauen das Recht auf Scheidung geltend“, sagt Griesebner. (por)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.10.2015)

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