Weltmeister unter Druck: Kein Fest, kein freier Tag

Republic of Ireland v Germany - UEFA Euro 2016 Qualifying Group D
Republic of Ireland v Germany - UEFA Euro 2016 Qualifying Group DREUTERS
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Joachim Löw erlebt in dieser EM-Qualifikation eine Premiere, das Ticket wird in seiner DFB-Ära erst am letzten Spieltag gelöst.

Leipzig. Weltmeister Deutschland ist vor der letzten Runde der Fußball-EM-Qualifikation noch nicht für die Endrunde in Frankreich 2016 qualifiziert. Aufgrund einer Unachtsamkeit und des 0:1 im Duell mit Irland dürfen sich die Schützlinge von DFB-Teamchef Joachim Löw heute zum Abschluss gegen Georgien in Leipzig (20.45 Uhr, live, RTL) keinen weiteren Ausrutscher leisten.

Ansonst wird das schier Unvorstellbare vielleicht plötzlich Wirklichkeit. Deutschland führt die Gruppe D mit 19 Punkten an. Polen und Irland (je 18) lauern unmittelbar dahinter und würden bei einem Unentschieden im direkten Duell – und im Falle einer Niederlage der Deutschen – an der DFB-Auswahl vorbeiziehen. Die EM 2016 in Frankreich ohne aktuellen Weltmeister – eine Utopie? Es würde als „Last Exit“-Strategie ja noch immer die Barrage warten. Für das erfolgsverwöhnte Deutschland und seinen schillernden Teamchef wäre das eine handfeste Blamage.


„Keine Fehltritte mehr!“ Das Zittern im Play-off will der Weltmeister, der zum ersten Mal seit 1983 auch zwei Niederlagen in einer Qualifikation hinnehmen musste, tunlichst vermeiden. Ein EM-Ticket hätten sie schon bei einem Unentschieden fix in der Tasche, sollte es im Parallelspiel einen Sieger geben, sogar bei einer eigenen Niederlage. „Die Ausgangssituation ist klar. Wir wollen das Spiel gegen Georgien gewinnen und uns aus eigener Kraft, ohne jeden Zweifel qualifizieren“, sagte Löw. Die Bilanz gegen die Georgier könnte zudem auch eindeutiger nicht sein: In vier Spielen gab es vier Siege. Der Umfaller gegen die Iren „war eine der unnötigsten Niederlagen, die wir in den letzten Jahren hinnehmen mussten“, ärgerte sich der ehemalige Trainer des FC Tirol und der Wiener Austria. Und dann rechnete er seinen Frust noch einmal vor: „Irland spielt 100 lange Bälle. 99-mal haben wir alles richtig gemacht, einmal nicht.“

Statt wie geplant am Freitag und Samstag beim Leipziger Lichterfest die friedliche Revolution von vor 26 Jahren mitzufeiern, lautete die Ansage der sportlichen DFB-Leitung nun vor dieser unangenehmen Extraschicht: „Alle Extras gestrichen! Kein Fest, kein freier Abend, nichts.“ Löw wolle so seine „lässigen Champions“ im Eilverfahren wieder auf die EM-Qualifikation einschwören. Es ist überaus auffällig, dass in seiner Mannschaft eine derartige Unkonzentriertheit Einzug gehalten hat, in Wahrheit schon die ganze Qualifikation über. Das avisierte Ticket für die nächste Titelmission muss nun erstmals unter Löw am letzten Qualifikationstag gebucht werden. Das wird Deutschland wohl schaffen. Und dennoch ist es für viele ein gewaltiger Rückschritt in der Spielkultur. Denn dieses Faktum war zuletzt in der Qualifikation für die EM 2004 unter Rudi Völler der Fall.


Tormaschine Lewandowski. In Irland ist die Stimmung naturgemäß anders. Folgt dem Wunder von Dublin die Sensation in Warschau? Die Iren wähnen sich nach dem ersten Sieg über Deutschland seit 59 Jahren im siebenten Fußballhimmel. „Übermütige Deutsche von heldenhaften Iren erschüttert“, titelte die irische Zeitung „The Irish Times“. „Den Weltmeister zu schlagen ist eine sensationelle Leistung!“ Vier Punkte hat Irland gegen die Löw-Mannschaft eingefahren. „Eigentlich müssten wir jetzt das Turnier gewinnen“, sagte Martin O'Neill. „Aber wir haben uns ja noch nicht einmal für die Euro qualifiziert.“

Heute geht es um alles. In Polen steigt das Finale um die direkte Qualifikation für die EM 2016, es ist der Kampf gegen die Tormaschine Robert Lewandowski. Er ist der beste Scorer der laufenden EM-Qualifikation und hält bei zwölf Toren. Für die Bayern markierte er ebenfalls zwölf Tore – in vier Pflichtspielen. Für den direkten Sprung zur Euro reicht den Polen gegen Irland ein Sieg und nach dem 1:1 im Hinspiel in Dublin sogar ein 0:0 oder 1:1. Die Iren sind mit einem Sieg oder einem Remis mit mindestens zwei Toren fix in Frankreich dabei.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.10.2015)

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