Deutschland dementiert einen Bericht über die Einführung einer europaweiten Solidarabgabe zur Finanzierung des Schutzes der EU-Außengrenzen und zur Unterstützung betroffener Mitgliedstaaten.
Wie sollen in Europa die Ausgaben zur Bewältigung der Flüchtlingswelle finanziert werden? Nachdem die EU-Regierungen einen Ausbau des Schutzes der Außengrenzen und finanzielle Hilfen für die am meisten betroffenen Mitgliedstaaten sowie für Herkunftsländer beschlossen haben, ist nach wie vor offen, woher das Geld für all diese Maßnahmen kommen soll. Über das sehr beschränkte EU-Budget ist dies nicht zu bewältigen. Kein Wunder also, dass nun Berichte über Alternativen wie etwa die Einführung einer Solidarabgabe auftauchen. In der EU-Kommission wird seit längerem über Optionen beraten. Laut der „Süddeutschen Zeitung“ wurde dabei auch die Einführung einer Sondersteuer angedacht. Die Zusatzeinnahmen könnten aus einem Aufschlag auf die Mineralölsteuer oder die Mehrwertsteuer der EU-Staaten gewonnen werden. Die Einnahmen sollten vorerst an den EU-Haushalt überwiesen werden, von wo sie für den gemeinsamen Grenzschutz, aber auch für die Aufnahme und Versorgung der Flüchtlinge in den hauptbetroffenen Mitgliedstaaten bereitgestellt würden.
Angeregt habe den „Flüchtlingssoli“ der deutsche Finanzminister, Wolfgang Schäuble (CDU), hieß es im Bericht. Die meisten EU-Regierungen unterstützten den Vorstoß. Am Samstag hat allerdings die deutsche Regierung einen solchen Plan klar dementiert. Regierungssprecher Steffen Seibert erklärte: „Es bleibt dabei: Weder wollen wir Steuererhöhungen in Deutschland, noch wollen wir die Einführung einer EU-Steuer.“ Klar ist allerdings weiterhin, dass die EU-Mitgliedstaaten in irgendeiner Weise die zusätzlichen Mittel gemeinsam aufbringen müssen. Allein für die Türkei wurde eine Hilfe von einer Milliarde Euro in Aussicht gestellt. Eine halbe Milliarde Euro soll an das Welternährungsprogramm der UN fließen, um die Flüchtlinge in den Auffanglagern in Jordanien zu versorgen. Darüber hinaus wollen die Mitgliedstaaten die EU-Agenturen Frontex, Easo und Europol mit Personal und Ausrüstung stärken.
Angriffe auf Asylunterkünfte. Sowohl in den Niederlanden als auch in Deutschland ist es indessen erneut zu Gewaltaktionen gegen Unterkünfte von Asylwerbern gekommen. Rund 20 Vermummte haben in der Nacht auf Samstag eine Notunterkunft im niederländischen Woerden angegriffen. Sie beschossen das Haus mit schweren Feuerwerkskörpern und faulen Eiern. Es war der erste größere Übergriff dieser Art in den Niederlanden. Vor einer neuen Asylbewerberunterkunft im ostdeutschen Chemnitz attackierten zeitgleich Rechtsextreme freiwillige Helfer und verletzten zwei von ihnen. Bereits zuvor hatte es beim Bezug der Unterkunft am Freitagnachmittag fremdenfeindliche Proteste gegeben. Ein Teil der ankommenden Flüchtlinge war deshalb auf eine Unterkunft der Kirchengemeinde ausgewichen. Auch diese wurde später attackiert.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.10.2015)