Wenn an einem Montagabend selbst gegen Liechtenstein 48.500 Fans das Happel-Stadion füllen, dann feiert Österreich die geschaffte Qualifikation für die Euro 2016 in Frankreich. Ein Feuerwerk soll es dennoch nur spielerischer Natur geben.
Podgorica/Wien. Nur eine Stunde nachdem der 3:2-Erfolg im Gradski-Stadion von Podgorica Gewissheit war, richtete Marko Arnautović den Blick schon wieder in die nahe Zukunft. Fragen nach den Feierlichkeiten im Rahmen des heutigen Abschlusses in der EM-Qualifikation gegen Liechtenstein (18 Uhr, live in ORF 1) wehrte der Torschütze zum sehenswerten 2:2 ab. „Mit Feiern ist noch gar nichts. Zuerst spielen wir 90 Minuten Fußball.“
48.500 Fans werden an diesem frühen Montagabend in das Happel-Oval pilgern. Sie werden singen, tanzen und grölen, wie es sich gehört, wenn die österreichische Nationalmannschaft derart begeistert und ihr frühzeitig wie erstmalig die sportliche Qualifikation für eine Europameisterschaft gelungen ist. Als Partygast ist Liechtenstein geladen, voraussichtlich ein dankbarer Gegner. Das Hinspiel in Vaduz hatten Marcel Kollers Mannen mit 5:0 gewonnen, auch diesmal wird ein Schützenfest erwartet.
Doch über die Höhe des Sieges will im Lager der Österreicher vorab niemand spekulieren. Man gibt sich geerdet, zeigt Respekt, auch vor der Nummer 156 der Weltrangliste. „Wenn wir nur ein Prozent weniger abrufen, bekommen wir Probleme“, mahnt Christian Fuchs. Der Kapitän spricht für seine Kollegen, sie alle warnen vor verfrühtem Optimismus. Außerdem kennt man die Geschichte von David gegen Goliath. „Liechtenstein“, sagt Fuchs, „hat noch nie etwas zu verlieren gehabt.“
Die Zeit der Ausreden ist vorbei
Wer acht Spiele in Folge gewinnt, in der Tabelle acht Punkte vor dem ersten Verfolger Russland thront, der trägt viel Selbstbewusstsein mit sich. Eben dieses machte es auch erst möglich, in Montenegro einen zweimaligen Rückstand doch noch in einen Erfolg zu verwandeln. Vor nicht allzu langer Zeit wäre das ÖFB-Team bei einem solchen Spiel mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit hängenden Köpfen als Verlierer vom Platz geschlichen. „Dann hätten wir uns auf Ausreden ausgeruht“, glaubt Martin Harnik. „Aber es ist alles anders als vor ein paar Jahren.“
Österreichs Nationalmannschaft scheut keinen Gegner mehr, schreckt vor Rückständen nicht zurück und selbst mit schwerwiegenden Fehlentscheidungen des Schiedsrichters hat man umzugehen gelernt. „Wir stehen auf dem Platz und haben das Gefühl, dass wir gewinnen werden“, betonte Fuchs, der dem Liechtenstein-Spiel entgegenfiebert. „Ich bin mir sicher, wir werden ein geiles Spiel machen.“
Weil die Qualifikation bereits seit über einem Monat und dem 4:1 in Stockholm feststeht, werden die ganz großen Emotionen nach dem Schlusspfiff wohl ausbleiben. „Den Gänsehautmoment von Schweden werden wir nicht noch einmal erleben“, meint Harnik, der sich samt Teamkollegen aber „grandios von den Fans verabschieden“ möchte. Auf ein Feuerwerk wird verzichtet, der ÖFB wird es bei einer klassischen Ehrenrunde belassen. Anschließend wird jeder Spieler einzeln auf eine Bühne gerufen, sich den Applaus von den Rängen abholen.
Nach dem hoffentlich erfolgreichen sportlichen Teil des Abends werden David Alaba und Co. im VIP-Klub des Happel-Stadions auf das Erreichte anstoßen. Auch so manche Politikerhand wird geschüttelt werden, Schulterklopfer inklusive. Im Anschluss daran wird die Mannschaft geschlossen in den Volksgarten chauffiert, in separaten Räumlichkeiten feiern.
Allzu ausgelassen werden die Spieler aber selbst dort nicht feiern. Schon am Dienstag erfolgt die Abreise aus dem ÖFB-Quartier, die Klubs im In- und Ausland kennen auch bei EM-Teilnehmern kein Pardon.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.10.2015)