Häupl: "Werden uns eine Menge überlegen müssen"

SPÖ-Bürgermeister Michael Häupl am Wahlabend
SPÖ-Bürgermeister Michael Häupl am Wahlabend (c) Roland Schlager (APA)
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Die Wiener SPÖ hat ihr zweitschlechtestes Ergebnis in der Zweiten Republik eingefahren. Bürgermeister Häupl will nun mit allen Parteien Gespräche führen. Politologen erwarten auch Auswirkungen auf die Bundespolitik.

Platz eins konnte gehalten werden, am schlechtesten roten Ergebnis in der Zweiten Republik ist Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) am Sonntag bei der Wiener Landtags- und Gemeinderatswahl aber nur knapp vorbei geschrammt. Entsprechend verhalten gibt er sich am Montag im Ö1-„Morgenjournal“: „Wenn ein Minus vor dem Wahlergebnis steht, betrübt mich das, um das ganz ehrlich zu sagen.“ Der Abstand zum Herausforderer FPÖ von Heinz-Christian Strache sei zwar „so groß geworden, wie niemand vorhergesagt hat“, doch dürften die Stadt-Sozialdemokraten darin „keinen Auftrag sehen, einfach so weiterzumachen wie bisher“. Da „werden wir uns eine Menge überlegen müssen.“

Konkrete Änderungspläne wollte er in der Früh noch nicht nennen, „nur allgemein“ könne er zum jetzigen Zeitpunkt etwas sagen. Und zwar: Organisation und Kommunikation müssten überdacht werden. Auch die Ängste der Bevölkerung, etwa jene, um den Arbeitsplatz oder die eigene Wohnung, gelte es, ernst zu nehmen. „Es wird unsere Aufgabe sein, im kleinräumigen Bereich“ diese Sorgen anzusprechen, so Häupl. Er wolle Investitionen tätigen, „auch mit Kreditaufnahmen“, um etwa „Kindergärten, Schulen und Spitäler entsprechend zu finanzieren“. 

>>> Wien-Wahl: Alle Ergebnisse im Überblick

Rein rechnerisch geht sich nach dem 11. Oktober eine Koalition zwischen SPÖ und FPÖ aus, der Mathematik werde die Praxis aber nicht folgen, betonte der Bürgermeister neuerlich: „Net bös sein, die FPÖ hat die SPÖ aus Regierungsverhandlungen ausgeschlossen, als sie stimmenstärkste Partei gewesen ist“, verwies er auf Schwarz-Blau auf Bundesebene. „Ich leide nicht an politischer Amnesie.“ Er, Häupl, werde mit allen Parteien sprechen, sehe aber inhaltlich keine Möglichkeit, mit den Freiheitlichen zu regieren. Außerdem, „ist es eine völlig undemokratische Geschichte, darzulegen, dass jemand eine bestimmte Anzahl an Stimmen hat und daraus ableitet, er hat ein Anrecht darauf, in der Regierung zu sein. In welcher Demokratie sind wir denn?“

Ob er Rot-Grün oder Rot-Schwarz – beide Varianten gehen sich aus – bevorzuge, wollte Häupl nicht sagen. „Ich werde schauen, wie es mit den Mandaten ausgeht“, spielte er auf die noch ausstehende Auszählung der Briefwahlstimmen ab. „Und dann werde ich Gespräche führen.“ Nächste Regierungsvariante: Eine Dreier-Koalition „ist teuer“ und „daher halte ich das nicht für toll“, meinte Häupl. Völlig ausschließen wolle er das zwar noch nicht, doch wäre es angesichts des Wahlergebnisses wohl „müßig, darüber zu diskutieren“. 

Experten: Häupls Kurs - Faymanns Vorbild

Gewisse Auswirkungen dürfte das Ergebnis der Wien-Wahl wohl auch auf die Bundespolitik haben. Das erwarten am Montag zumindest die Politik-Experten Wolfgang Bachmayer, Thomas Hofer und Peter Hajek. So werde sich SPÖ-Bundeskanzler Werner Faymann wohl ein Vorbild an Häupl nehmen und sich künftig als Anti-Strache positionieren, sagte OGM-Chef Bachmayer. Der rote Bundesparteichef habe das Abschneiden seiner Wiener Parteifreunde sicher „mit großer Erleichterung" zur Kenntnis genommen. Faymanns Schlussfolgerung werde daher nun sein: „Wenn Häupl das Ergebnis mit der Strategie Strache-Verhindern machen kann, dann kann ich im Bund das gleiche Konzept anwenden.“

Politologe Hofer empfahl allerdings, den ersten Platz in Wien nicht als Bestätigung der Bundesregierung zu werten: Zu verdanken habe die SPÖ das Abschneiden einerseits dem „Anti-Kurs“, andererseits den „Leihstimmen", die von eigentlichen Sympathisanten von Grünen, Neos und ÖVP gekommen seien – vorrangig „um Strache zu verhindern“, wie die Wahltagsbefragung von ISA/SORA und Public Opinion Strategies ergab. Ebenfalls unklug wäre es, das Ergebnis der FPÖ zu unterschätzen, mahnte Meinungsforscher Hajek – er ist heute von 12 bis 13 Uhr übrigens zu Gast im „Presse“-Chat. Zu glauben, dass mit rund 30 Prozent ein Limit erreicht sei, halte er für falsch, betonte der Politikwissenschaftler. Auch Bachmayer ist überzeugt, dass sich die FPÖ weiter in den Umfragen zum Bund an der Spitze finden werde.

Die Grünen sehen die Experten als Opfer der Umstände der Duell-Situation in Wien. Allerdings gibt Hajek zu bedenken, dass es nicht gelinge, über die Kernklientel Wähler anzuziehen. Das sei schon in Oberösterreich erkennbar gewesen. „Wieder voll am Leben" sind für Bachmayer die Neos. Die hätten nun den Vorteil, drei Jahre keine größeren Wahlen zu haben und sich so weiter stabilisieren zu können.

Parteiinterne Machtverhältnisse

Mit der Wien-Wahl haben sich die parteiinternen Machtverhältnisse verschoben: Die Wiener FPÖ ist jetzt wieder vor den Oberösterreichern die stärkste Landesgruppe - während die Wiener SPÖ hinter das Burgenland auf Rang zwei rutschte. Die Wiener ÖVP war Schlusslicht und blieb letzte. Die Wiener Grünen fielen um zwei Ränge ab: Waren sie vor der Wahl noch Dritte, sind sie nun nur mehr Fünfte hinter Salzburg, Vorarlberg, Tirol und Kärnten. Die Bundeshauptstadt-Neos sind nach Vorarlberg die zweite Landesgruppe, die die Mandatshürde genommen hat - und zwar mit dem zweitbesten Ergebnis der bisher fünf Landtagswahlen mit pinker Beteiligung.

>>> Michael Häupl im Ö1-„Morgenjournal“

(hell/APA)

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