Weichselweine: „Und es ist doch möglich“

Fruchtflut. Heuer konnte man eine Rekordernte an Weichseln verzeichnen.
Fruchtflut. Heuer konnte man eine Rekordernte an Weichseln verzeichnen.(c) Beigestellt
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Vorreiter mit großer Zukunft: Die Weichselweine von Frederiksdal sind eine eigene Dimension.

Seinen ersten Rausch hatte Harald Krabbe im Gegensatz zu seinen Alterskollegen nicht mit Weichselwein. Sondern mit Whisky. „Aber fast alle Jugendlichen in Dänemark haben mit Weichselwein begonnen“, einem zuckerlklebrigen, billigen, „typisch dänischen Gesöff“. Wenig Ähnlichkeit also mit jenen Weinen, die Harald Krabbe heute produziert: Auf Gut Frederiksdal, etwa 180 Kilometer von Kopenhagen entfernt auf der sonnenreichen Insel Lolland gelegen, vinifiziert man Weichseln wie Trauben. Und gewinnt damit Auszeichungen auch in Kategorien, die üblicherweise Traubenweinen vorbehalten sind.

Fruchtfokus. Harald Krabbe ist der Gutsherr von Frederiksdal. Er hat Kühe durch Weichseln ersetzt. Mit Erfolg.
Fruchtfokus. Harald Krabbe ist der Gutsherr von Frederiksdal. Er hat Kühe durch Weichseln ersetzt. Mit Erfolg. (c) Anna Burghardt

Dass es heute Kirsebærvin ist, der auf diesem Bilderbuchlandgut erzeugt wird, und nicht Milch, Steaks oder Speck, ist Zufall. „Wir hatten Kühe. Und ein paar Hektar Weichselbäume. Dann wollten wir Pata-Negra-Schweine züchten. Aber es wurde eben doch Weichselwein“, erzählt der eloquente Agrarökonom Harald Krabbe in seinem stilvollen, fliederfarben gestrichenen Esszimmer, das wohl schon die eine oder andere Homestoryseite geziert hat. Gemeinsam mit dem Journalisten und Weinbuch-Autor Morten Brink Iwersen, den Krabbe bei einem Mittagessen kennengelernt hatte, bereiste er Italien und Frankreich. Der Plan, Weichseln wie Weintrauben zu verarbeiten und sich auch mit Varietäten wie Brigitte oder Viki zu spielen, war dabei das wichtigste Gepäckstück. Das Souvenir indes, das die beiden mitbrachten, war die Idee, nicht nur sortenreine Weichselweine zu machen, sondern sortenreine Weichselweine mit Terroir.

Gut Frederiksdal – ein nordisches Anwesen in Meeresnähe wie aus einem Bilderbuch.
Gut Frederiksdal – ein nordisches Anwesen in Meeresnähe wie aus einem Bilderbuch.(c) Frederiksdal

Als dritten Mitstreiter holten sich Krabbe und Iwersen den Gastronomen Jan Friis-Mikkelsen ins Team. Das war 2006. Man schaffte Eichenfässer und Glasballons an und begann mit 1200 Liter spontanvergorenem und gespritetem Weichselwein, der die drei Neo-Winzer zunächst sehr enttäuschte und sie an ihrem Vorhaben zweifeln ließ. Zum Glück lagerten sie jedoch diese ersten Weine, „denn heute wissen wir, welchen Schatz wir da haben“, sagt Harald Krabbe. Im Folgejahr 2007, einem Rekorderntejahr, produzierte man auf Gut Frederiksdal vor lauter Frustration gar keinen Weichselwein. Der Jahrgang 2008 sollte sich dann aber, obwohl nur wenige Weichseln geerntet werden konnten, als hervorragend herausstellen. „Und vor allem sahen wir in diesem Jahr, dass der erste Wein, der uns so enttäuscht hatte, mit der Lagerung ordentlich an Qualität zugelegt hatte.“

Freiluft. Für den Rancio lagern die Weine draußen neben dem Schilf in Glasballons.
Freiluft. Für den Rancio lagern die Weine draußen neben dem Schilf in Glasballons.(c) Anna Burghardt

Trial and Error. Das Beobachten der Weine über die Jahre ist ebenso unverzichtbar wie diverse genau dokumentierte Versuchsanordnungen mit Weichselsorten, Erntezeitpunkt, Dünger oder dem Solera-Fasssystem, wie man es von Sherry kennt. Die Weichselwinzer von Frederiksdal konnten schließlich auf keine anderen Erfahrungswerte als die eigenen zurückgreifen, sie sind die Ersten, die Vergleichbares produzierten. Krabbe holte sich zwar Hilfe vom deutschen Önologen Jens Heinemeyer, um das Vinifizieren besser zu verstehen – Dänemark ist alles andere als ein Weinland –, was aber das Verhalten der Weichseln betrifft, war man auf Trial and Error angewiesen. In einem Teil der Weichselplantage unterhält Krabbe ein Sortenarchiv, hat sämtliche nordischen Weichselvarietäten gepflanzt. „Allein, dieses Projekt liefert erst nach neun Jahren Ergebnisse in Form von Wein, zwischen Organisieren, Aufbereiten, Pflanzen, Ernten, Vinifizieren.“ Harald Krabbe und seine Mitstreiter waren am Anfang mit vielen Zweiflern konfrontiert, „man sagte uns zu Beginn dauernd, dass das, was wir da machen, gar nicht möglich ist.“

Heute ist Frederiksdal ein erfolgreiches Weingut mit derzeit sechs verschiedenen Weinen, einem Schaumwein auf Birnenbasis und einem Likör im Programm. Für den Rancio etwa liegen hinter der Halle hunderte 25-Liter-Glasballons neben dem Schilf – das Meer ist spürbar nahe. Ein Jahr lang lagern die Weine hier zwischen ein paar Grad minus und bis zu +35 Grad, bevor sie für ein weiteres Jahr in alte Eichenfässer gefüllt werden. Für Harald Krabbe ist der Rancio der Signature-Wein von Gut Frederiksdal – „und der lustigste“. Ihn kann man auch in der Flasche lang offen lassen. Weichselwinzer Krabbe ist immer wieder erstaunt, wie im Norden Europas Weine wie der Rancio oder auch der kostbare, schwer limitierte Solera entstehen können.

(c) Frederiksdal

Beste Ernte bisher. Im Laufe der Jahre übernahm man immer mehr angrenzende Weichselplantagen und baute den ehemaligen Kuhstall zu einer großen Produktionshalle um, „da, wo zuvor 60 Kühe auf der einen und 60 Kühe auf der anderen Seite“ lebten, sind jetzt Fässer, Stahltanks, Paletten. Arbeitete man zunächst noch mit einer traditionellen Weinpresse, ist es heute eine speziell entwickelte Presse, die 75 Prozent Saftausbeute ermöglicht. Neuerdings kooperiert man mit dem Institut für Weinbau und Önologie der Universität Geisenheim hinsichtlich malolaktischer Gärung. Das heurige Jahr brachte die beste Ernte bisher. Mit dem Export auch nach Übersee hat Frederiksdal nach dem erfolgreichen Start in den besten nordischen Restaurants schon recht bald begonnen, „Japan, China. Mit den USA haben wir jetzt gestartet, gerade erst ist die erste Fuhre dort angekommen. Und auch in Deutschland, vor allem in Berlin, haben wir mit neuen Restaurants wie Billy Wagners Nobelhart & Schmutzig großes Glück“, sagt Harald Krabbe.

Im kommenden Jahr will man Österreich in Angriff nehmen.
Fruchtweine in der Qualität von Frederiksdal haben für den Berliner Sommelier Billy Wagner Zukunft: „Frederiksdal ist der Leuchtturm, die sind die einzigen derzeit mit dieser Qualität. Da liegt noch wahnsinnig viel Potenzial brach. Viele Fruchtweine etwa aus der Berliner Gegend sind schlecht. Aber das Thema ist total spannend, Fruchtweine haben ein völlig anderes Aromenprofil.“ Wagner forciert die nordischen Fruchtweine in seinem Lokal auch, um Produzenten im Umland von Berlin Mut zu machen, Ähnliches zu wagen. „Für kühle Nicht-Wein-Gegenden ist das eine große Chance.“

Tipp

Weichsel im Glas. Die Weichselweine von Frederiksdal sind in Österreich derzeit über
weinhalle.de oder Jens Heinemeyer (mail@marketing-atelier.de) erhältlich.

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