SPÖ-Bundesgeschäftsführer Gerhard Schmid kontert den Faymann-Kritikern: Viele seien gar nicht in der SPÖ. Jene, die es sind, sollen sich lieber in den Programmprozess einbringen.
Die Presse: Hat die SPÖ in Wien einen Angst-Wahlkampf geführt?
Gerhard Schmid: Viele Menschen haben Angst vor Strache. In diese Richtung brauche ich gar keinen Wahlkampf zu machen – das ist so.
Aber die SPÖ hat diese Angst ausgenützt.
Nein. Denn Strache hat ja eine Bürgermeister-Ansage gemacht. Da gab's sogar Leiberln mit dem Aufdruck „Bürgermeister Strache“. Damit war diese direkte Auseinandersetzung auch eröffnet.
Würden Sie sagen, dass Werner Faymann einen Anteil hat am relativen Erfolg in Wien?
Auf jeden Fall auch. Er hat genauso wie der Wiener Bürgermeister Haltung gezeigt. Vor allem in der Flüchtlingsfrage. Es ging darum, Menschlichkeit zu zeigen und Problemlösungskompetenz an den Tag zu legen. Das war sicher entscheidend für viele. Es hat uns allerdings auch Stimmen gekostet, weil natürlich nicht alle mitgegangen sind. Aber letztlich hat der Weg, Haltung zu zeigen, den Michael Häupl und Werner Faymann gegangen sind, Früchte getragen. Das wurde zumindest von einem nicht unwesentlichen Teil der Bevölkerung so gesehen.
Dennoch werden die Faymann-Kritiker nicht weniger. Nun gibt es eine Onlinepetition gegen Werner Faymann. Auf www.wirwollenmehr.at fordern unzufriedene Parteimitglieder den SPÖ-Vorsitzenden und Bundeskanzler zum Rücktritt auf.
Wir halten das nicht für gescheit, wenn da Internet-Plattformen entstehen zu innerparteilichen Themen, die dem politischen Mitbewerber in die Hände spielen. Abgesehen davon, dass 50 Prozent oder mehr dieser Leute, die sich hier beteiligen, gar keine SPÖ-Mitglieder sind. Da ist der Allzweck-Aktivist Rudi Fußi ebenso mit dabei wie der frühere burgenländische FPÖ-Klubobmann Stefan Salzl. Ein ganz kurioses Spektrum.
Dennoch scheint es aber auch unter SPÖ-Mitgliedern Unzufriedenheit zu geben.
Jedes Parteimitglied kann sich innerparteilich voll beteiligen. Die Kritiker lade ich ein, sich bei den großen Prozessen zum Parteiprogramm konstruktiv einzubringen.
Das Ziel der Kritiker ist es aber in erster Linie, dass sie Werner Faymann loswerden wollen.
Wenn sie das wollen: Die Entscheidung trifft der Bundesparteitag. Und dieser ist 2016. Das ist ein ganz ein einfaches Spiel. Da kann jedes Vorstandsmitglied einen Vorschlag einbringen – und dann wird abgestimmt.
Welche Lehren ziehen Sie denn aus der Wien-Wahl?
Wir müssen uns besonders bemühen um die Menschen, die hart arbeiten, um damit ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Gerade in den großen Wohngebieten am Stadtrand. Dort haben wir unsere größten Probleme. Diesen Menschen muss man die Ängste zu nehmen versuchen, die sich nach der Wirtschaftskrise 2008/2009 aufgebaut haben. Viele dieser Ängste sind auch gar nicht unbegründet. Auch wenn in Österreich die Krise besser bewältigt wurde. Wenn wir über sieben bis acht Prozent Jugendarbeitslosigkeit reden – andere Länder haben sechzig. Diesen Menschen muss man jedenfalls helfen. Das geht nicht nur über Kommunikation. Da muss man konkrete Angebote machen.
Welche denn?
Wir haben da jetzt zum Beispiel unser Projekt Rotes Telefon mit den Vertrauensanwälten. Wir wollen den Menschen direkt vor Ort bei konkreten Problemstellungen helfen. Diese Idee hat gestern auch der Wiener Bürgermeister noch einmal kommuniziert. Das heißt, wir werden dieses Projekt mit großer Unterstützung des Michael Häupl hochfahren. Am 5. November beginnt im Renner-Institut die erste Ausbildung von SPÖ-Vertrauensanwälten. Wir werden dann, nicht nur in Wien, sondern auch in den Bundesländern Menschen vor Ort haben, die sich um die Sorgen und Probleme kümmern.
Wann wird die SPÖ denn ihren Bundespräsidentschaftskandidaten bekannt geben?
Das steht noch nicht fest. 2004 war es in den ersten Jännerwochen. Es ist die Entscheidung Werner Faymanns. Aber ich nehme an, dass wir das Ende des Jahres oder Anfang 2016 machen werden.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.10.2015)