Bischofstreffen: Neue „VatiLeaks“-Affäre

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Die Veröffentlichung eines Klagebriefs von angeblich 13 Kardinälen an den Papst sorgt für zusätzliche Spannungen.

Vatikanstadt. Das Wort Skandal nimmt ein Kardinal der vatikanischen Kurie zumindest öffentlich eher selten in den Mund. Genau das hat aber einer der engsten Mitarbeiter des Papstes getan, niemand geringerer als der Chef der Glaubenskongregation, der gebürtige Deutsche Gerhard Ludwig Müller. Mehr noch, der Vertraute von Benedikt XVI. sprach am Dienstag sogar wörtlich von einer „neuen VatiLeaks-Affäre“.

Mit Verwendung dieses Begriffs spielte er auf die Veröffentlichung streng geheimer vatikanischer Dokumente während der Spätphase der Amtszeit Benedikts XVI. an, dem Müller auch theologisch nahesteht. Was war aktuell geschehen? Das italienische Magazin „L'Espresso“ hat in seiner jüngsten Ausgabe einen Brief an Franziskus publiziert, in dem angeblich 13 Kardinäle über den Verlauf der Familiensynode klagen. Bis Ende nächster Woche beraten noch 300 Bischöfe und Experten über kirchenintern so strittige Themen wie das Verbot des Sakramentenempfangs für Geschiedene, die zivilrechtlich wieder geheiratet haben, voreheliche Beziehungen, Verhütung.

Die Veröffentlichung dieses Schreibens und die nunmehrigen Reaktionen darauf überschatten das ohnedies schon alles andere als spannungsfreie Treffen im Vatikan. Müller ließ jedenfalls offen, ob er den Brief unterzeichnet hat. Die Urheber der Veröffentlichung wollten nur Streit und Spannungen erzeugen. Müller weiter: „Ich lasse nicht zu, dass mein Gehorsam und mein Dienst für Papst und Kirche in Zweifel gezogen werden.“ Als Präfekt der Glaubenskongregation sei er „erster Mitarbeiter des Papstes“. Und: „Ich kenne niemanden, der gegen den Papst ist.“

Mittlerweile haben vier genannte Kardinäle dementiert, den Brief unterschrieben zu haben. Ein weiterer hat mitgeteilt, er habe einen anderen Brief unterschrieben. Einer jener vier, die dementiert haben, ist der Präsident des Rats der europäischen Bischofskonferenzen, der Budapester Kardinal Péter Erd?.

Existenz eines Briefs bestätigt

Er betonte, einen derartigen Brief nie gesehen oder unterzeichnet zu haben. Ein Sprecher von Kurienkardinal George Pell, der den Brief dem Papst übergeben haben soll, bestätigte hingegen die Existenz eines solchen Schreibens. Der veröffentliche Brief sei jedoch fehlerhaft, sowohl was Inhalte als auch Liste der Unterzeichner betrifft.

Neben Erd? haben der Mailänder Angelo Scola, André Vingt-Trois aus Paris sowie der Leiter des päpstlichen Gnadengerichts, Mauro Piacenza, ihre Beteiligung in Abrede gestellt. Die Existenz des Briefs selbst wurde auch von Vatikansprecher Federico Lombardi nicht dementiert. Lombardi hat jedoch gesagt, es handle sich um ein „vertrauliches Schreiben“, zu dem es nichts weiter zu kommentieren gebe. (d. n./kap)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.10.2015)

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