Handels-Kollektivvertrag: Seltene Eintracht bei Sozialpartnern

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Während es bei den Metallern ordentlich kracht, inszenieren sich die Handels-Gewerkschafter kurz vor den KV-Verhandlungen als positive Ausnahme.

Wien. Nach zwei Jahren Pause wegen des Doppelabschlusses für 2014/15 ist es kommende Woche wieder so weit: Die Kollektivvertragsverhandlungen für rund eine halbe Million Beschäftigte im Handel gehen in die erste Runde.

Wenn man atmosphärisch vorfühlt, stimmt die Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA-djp) einen erstaunlich kooperativen Ton an. In den vergangenen zwei Jahren sei es zu einer „Stärkung der Sozialpartnerschaft“ gekommen, sagt GPA-djp-Chefverhandler Manfred Wolf. Das Klima sei „partnerschaftlich und menschlich“. Zu tun habe das vor allem damit, dass Mitglieder von Gewerkschaft und Wirtschaftskammer seit fast zwei Jahren regelmäßig zusammensäßen, um den Handelskollektivvertrag zu entrümpeln. Dabei seien sie sich nähergekommen.

Der jetzige Kollektivvertrag ist in Anbetracht der vielen neuen Berufsbilder, die im Handel vorwiegend durch den E-Commerce entstanden sind, hoffnungslos veraltet. Nicht mehr zeitgemäße Berufsbilder müssen beseitigt oder aktualisiert, neue definiert und finanziell eingestuft werden. Ein Mammutprojekt. Ursprünglich wollte man Ende 2015 den reformierten Handels-KV präsentieren, am Mittwoch kündigte die Gewerkschaft aber an, dass es erst Ende 2017 zu einem Ergebnis kommen werde. Man habe die Komplexität der Materie unterschätzt.

„Fangen mit dem Rechnen an“

Nach nunmehr fast zwei Jahren monatlicher Treffen und gemeinsamen Kopfzerbrechens gebe es nun ein Zwischenergebnis. WKO und Gewerkschaft hätten sich auf die aktualisierten Berufsbilder geeinigt und Musterkarrieren definiert, die als Basis für die Gehaltstafeln dienen sollen. Noch ausständig seien Übergangsregelungen für die beruflichen Auslaufmodelle. „Jetzt können wir mit dem Rechnen anfangen“, sagt WKO-Chefverhandler und Handels-Spartenobmann Peter Buchmüller. Für die Zeit der Lohnverhandlungen setzt die Arbeit an der KV-Reform aber aus, damit etwaige Misstöne nicht auf die mühsam errungene Konstruktivität abfärben.

Ohnehin hat die Gewerkschaft gute Vorsätze: „So ein Kasperltheater wie bei den Metallern wird es bei uns nicht geben“, sagt der GPA- Vorsitzende im Wirtschaftsbereich Handel, Franz Georg Brantner, und bezieht sich dabei vor allem darauf, dass der größte Metallerfachverband, FMMI, sich in der ersten KV-Runde nicht auf eine Inflationsrate einigen wollte. Traditionell würde das im Handel ohne große Schaukämpfe in der ersten Runde ausgehandelt, sagt Brantner.

Reizthema 6. Urlaubswoche

Die Forderungen, mit denen die Gewerkschaft in die KV-Verhandlungen starten wird, sind altbekannt. Reizthema Nummer eins, bei dem sich die Freundschaftlichkeit dann doch aufhört, ist die sechste Urlaubswoche.

Ein Anspruch besteht im Handel derzeit nach 25 Jahren Erwerbstätigkeit in der gleichen Firma. Die Gewerkschaft will eine Ausweitung der Anrechenbarkeit auch bei Jobwechsel innerhalb der Branche. Hier gibt es aber vonseiten der Kammer null Spielraum: „Darüber diskutiere ich gar nicht“, sagt Chefverhandler Buchmüller.

Auch die Forderung nach einer Verbesserung der Anrechenbarkeit von Karenzzeiten dürfte auf taube Ohren stoßen. Derzeit gilt diese – seit 2014 – nur beim ersten Kind. „Wir haben gerade erst Zugeständnisse gemacht, und jetzt liegt das wieder auf dem Tisch“, ärgert sich Buchmüller. Ein wenig Unmut muss also doch sein. Sind die Positionen nach außen adjustiert, kann man ja intern wieder auf eine freundlichere Gangart umschalten.

AUF EINEN BLICK

KV-Verhandlungen. Am 21. Oktober gehen die Kollektivvertragsverhandlungen für den Handel in die erste Runde. Die Gewerkschaft geht mit Forderungen zur besseren Anrechenbarkeit von Karenzzeiten und von Arbeitszeiten für die sechste Urlaubswoche an den Start. Der Einzelhandel hat im ersten Halbjahr 2015 erstmals seit Längerem ein reales Umsatzplus erwirtschaftet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.10.2015)

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