Datenanalyse: Wo welche Partei am beliebtesten war

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Wahlsprengel sind die kleinsten politischen Nenner. Betrachtet man sie genau, zeigen sich die spezifischen Stärken (und Schwächen) von SPÖ, FPÖ, Grünen, ÖVP und Neos.

Wien. Deutungen und Theorien dazu, warum die Wien-Wahl so ausgegangen ist, wie sie ist, gibt es Dutzende. Wer vom Wetter profitierte, wem die hohe Wahlbeteiligung nützte und welche Partei im „Duell“ um Platz eins aufgerieben wurde. Parteimanager und Analysten hatten viel zu tun.

„Die Presse“ hat für den vorliegenden Beitrag versucht, sich dem Thema auf andere Weise zu nähern. Hierfür wurden die jeweils besten fünf Sprengelergebnisse jeder Partei zunächst identifiziert. Anschließend begannen Recherchen dazu, was die räumlich eng definierte Region auszeichnet. Aus diesen Informationen waren dann mögliche Gründe für das Wahlverhalten ableitbar. Und die Vermutung, dass strategische Pläne oder Parolen von Wahlkampfleitern möglicherweise weniger Einfluss hatten als die Lebensrealität der Wähler. Ein Überblick.


SPÖ. Beispielsweise machte schon kurz nach Veröffentlichung der ersten Wahlergebnisse die Erklärung die Runde, Wiens Sozialdemokraten hätten ausgerechnet den Gemeindebau, ausgerechnet die Senioren verloren. Die Theorie dürfte jedoch viele Aspekte ausblenden (s. auch Artikel links). Tatsache ist nämlich, dass die SPÖ ihre absolut besten Ergebnisse genau dort erreicht hat. Im Haus Atzgersdorf für Pensionisten (66Prozent) sowie im Hermine-Fiala-Hof in Favoriten (61,3).

Das Haus Atzgersdorf gehört zum Kuratorium Wiener Pensionistenwohnhäuser. Also genau zu jenem Apparat unter SPÖ-Einfluss, der die Bürger der Stadt gemäß einem alten Bonmot („Von der Wiege bis zur Bahre“) ihr ganzes Leben lang begleitet. Das äußert sich, natürlich, auch in Dankbarkeit an der Wahlurne.

Ganz ähnlich ist es in den sprichwörtlich funktionierenden Gemeindebauten. Der Fiala-Hof ist so einer. Während sich die Wohnanlagen im Umfeld blau umfärbten, zeigte hier die SPÖ fast schon traditionelle Stärke. Eine Erklärung hierfür könnte sein: Die 400-Wohnungen-Anlage ist mehr als eine Mietskaserne. Das Gebäude ist soziales Zentrum einer ganzen Region. Es gibt Nahversorger, Ärzte, Kinderbetreuung, eine Bücherei und sogar Wohnungen mit Eigengärten.

Das Gleiche gilt für die folgenden drei Topsprengel der SPÖ, wo die Partei 58 bzw. zweimal 57 Prozent erreicht hat: Immer sind es Grätzel, in denen es mehr als nur Wohnraum und Beton gibt (zweimal Leopoldstadt, einmal Liesing).

FPÖ. Anders als in den Hochburgen der SPÖ scheint die FPÖ ihre meisten Anhänger dort zu haben, wo die Unzufriedenheit mit sich selbst und dem Umfeld besonders groß ist. In den denkmalgeschützten Polizeihäusern entlang der Ottakringer Herbststraße (Eigentümer: Tochterfirma der Bundesimmobiliengesellschaft) erreichten die Freiheitlichen 66 Prozent. Rundherum: unzählige, SPÖ-dominierte Gemeindebauten und Migranten.

Auch die zweite FPÖ-Hochburg (62 Prozent) entlang der Wehlistraße zeigte während der vergangenen Legislaturperiode eine bemerkenswerte Entwicklung. Eine – von vielen Bewohnern abgelehnte– Einführung von Kurzparkzonen und jede Menge Straftaten, die es bis in die Öffentlichkeit schafften (Raubüberfälle, Verfolgungsjagden, Einbrüche.) Das Gleiche gilt mit ähnlichen Werten für drei weitere, tiefblaue Wahlsprengel im großen Gemeindebau entlang der Siemensstraße (Floridsdorf).


Grüne. Seit Jahrzehnten macht die SPÖ vor, warum der politisch punzierte Wohnbau für Wahlerfolge so wichtig ist. Das zeigt sich nun auch bei den Grünen. Nicht in ihrer traditionellen Hochburg, Neubau (Topsprengel mit 35,3Prozent), sondern in Neubaugebieten, in denen sie mitgestalten durften. Beispielsweise in einem Sprengel am Nordbahnhofgelände (Rudolf-Bednar-Park). Genau dort, wo Häuser entstanden sind, deren Bewohner überwiegend auf das Fahrrad setzen, Autos gemeinsam nutzen, Raum für grüne Pressekonferenzen geben, erreichte die Partei 32,2 Prozent. Überspitzt formuliert entstand hier eine Art grüner Karl-Marx-Hof.


ÖVP.
Im Großen betrachtet ist eine spezifische Stärke der ÖVP gleichzeitig ihr größtes Problem: Bei wohlhabenden Senioren kam die Partei besonders gut an. Nur gibt es von ihnen einfach zu wenig. Ihr bestes Ergebnis (45,6Prozent) erzielten die Bürgerlichen im Döblinger Sprengel 11, das nur aus Residenz Döbling, einem edlen Seniorenhaus des Fonds der Wiener Kaufmannschaft besteht. Ebenso das zweitbeste Ergebnis: 32,7 Prozent in der Seniorenresidenz Kurpark Oberlaa. Auf den Plätzen: Die traditionellen Hochburgen rund um die Hohe Warte und in Hietzing.

Neos.
Bei den Top-fünf-Ergebnissen der Neos (zwischen 16,8 und 18,3 Prozent) könnte man meinen, sie seien weniger die modernen Städter, als die sie sich geben, sondern Bürgerliche aus den noblen Vororten. So ist es doch bemerkenswert, dass sie ihre besten Werte in den (einstigen) VP-Festungen einfuhren. Im Hietzinger OberSt. Veit stürzten Juraczka und Co. von 42 auf 25 Prozent. Die Neos, scheint es, brauchten die Stimmen der von der VP Frustrierten nur noch einzusammeln. Ähnlich lief es in den Sprengeln am Kahlenberg, im Währinger Cottageviertel und in Mauer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.10.2015)

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