"Erwachsen auf Probe": Ein Baby ist schon gestorben

(c) AP (Thomas Kienzle)
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Die mit viel Wirbel begleitete RTL-Dokusoap über Teenager mit geliehenen Babys ist kein Skandal. Sondern klassische RTL-Maßware: Sozialporno mit pseudo-pädagogischem Anspruch.

Wie das halt so ist mit den angekündigten Skandalen. Selten hat in letzter Zeit eine TV-Sendung so viel Wirbel ausgelöst, wie die RTL-Dokusoap "Erwachsen auf Probe". Der deutsche Kinderschutzbund hatte sogar versucht, eine Ausstrahlung der Sendung per Gerichtsbeschluss zu verhindern. Dermaßen auf die Palme gebracht hat die Kinderschützer, dass in der Show Babys von ihren Eltern an Teenager ausgeborgt werden, die an den Kindern ausprobieren sollen, ob sie schon für ein eigenes Kind reif sind. In der ersten Folge musste zwar auch gleich ein Baby sterben. Es war aber nur eine Puppe, die den vier Paaren für eine Art Trockentest übergeben wurde.

Denn die echten Babys kamen erst spät ins Spiel. Nachdem eine unheilverheißende RTL-Stimme gesagt hatte: "Werden sie daran wachsen? Oder zerbrechen?", mussten die Jugendlichen erst einmal zeigen, dass sie für ihre Lebenskosten aufkommen können. Mindestens einer scheiterte daran schon - und es war nicht mal der mit der Gefängnis-Vergangenheit. Elvir, der sich im Lauf der Sendung noch als Baby-Dummie-Mörder herausstellen sollte, zeigte sich in der Autowaschanlage der Herausforderung nicht gewachsen. Seine Freundin schien reichlich überrascht, als er ihr mitteilte, "es sei ihm nicht gelungen." "Autowaschen?", fragte sie mit großen ungläubigen Augen.

"Jetzt haste wenigstens Titten"

Dann kam der Umschnall-Babybauch - den mussten die Mädchen 24 Stunden tragen. Die durchschnittliche Austragezeit für Schnellentschlossene halt. Einer der männlichen Teenager kommentierte die "körperlichen" Veränderungen seiner Freundin mit "Jetzt haste wenigstens Titten". Die Information, dass eine Geburt Schmerzen verursacht, war dann für die Mädchen ganz was Neues. Man fragt sich schon, nach welchen Kriterien RTL die angeblich so gebärwilligen Teenager gecastet hat. Vielleicht hat ja schon gereicht, dass man Kondome nicht unfallfrei aus der Packung bekommt.

Dafür, dass die meisten der Teenager schon mit dem Zusammenbauen der Ikea-Möbel schwerst überfordert waren, kam der Großteil ganz gut mit dem schreienden und nässenden Baby-Dummie zurecht. Als Belohnung gab es dann eben echte Babys. Nur nicht für Elvir und seine Partnerin, die bekamen noch eine letzte Chance. Sollte die Puppe diesmal überleben, gibt's auch für sie Echtmaterial. Also fast wie im richtigen Leben.

Das Problem von "Erwachsen auf Probe" sind nicht die "gravierenden Menschenwürdeverletzungen", die die Kinderschützer bei den ausgeborgten Babys anprangern. Um die Babys muss man sich da weniger Sorgen machen - die wurden beim Dreh nämlich 24 Stunden lang beobachtet und haben sogar bei ihren Eltern übernachtet. Jeder, der sein Kind einem Babysitter übergibt, setzt es eigentlich einem größeren Risiko aus. Es ist dasselbe Problem, das TV-Sozialpornografie dieser Art immer mit sich bringt - und das ist diese Dokusoap, denn da ist das Casting sehr deutlich. Wie schon in der sehr ähnlichen ATV-Sendung "Teenager werden Mütter" gibt es einen, nennen wir es mal unbekümmerten Protagonisten (dort Kinderwagendieb Gabriel, hier Dummie-Killer Elvir), der sich Unverständnis und sogar Wut der Zuseher zuziehen wird. Im Fall von "Erwachsen auf Probe" ist eher die Frage: Ist es moralisch in Ordnung jungen, unreifen Menschen, die noch dazu deutlich sozial benachteiligt sind, dabei zuzusehen, wie sie sich zum Affen machen? Aber diese Frage ist bei RTL nun wirklich nichts Neues.

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