Wahlverhalten: Die bemerkenswerten Inseln der Parteien

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Eine grüne Insel in einem Meer aus Rot. Freiheitliche in Döbling und zwei VP-Festungen, umgeben von SP- und FP-Mehrheiten. Warum das so ist, hängt oft von Kleinigkeiten ab.

Wien. Im Großen und Ganzen ist die politische Landkarte Wiens klar aufgeteilt. Im Zentrum, Norden und Westen dominiert die SPÖ, in den Siedlungen am Stadtrand, im Osten und im Süden eroberte die FPÖ vergangenen Sonntag bei den Gemeinderatswahlen große Gebiete für sich. Jene, die sich gern in Details und Besonderheiten verlieren, finden bei der Auswertung der einzelnen Sprengelergebnisse jedoch zum Teil bemerkenswerte Ausreißer. Schaut man sich die Gegenden etwas genauer an, sind kleine, aber offenbar entscheidende Details zu entdecken, aus denen man die Gründe dafür ableiten kann, warum buchstäblich auf der anderen Straßenseite ein völlig anderes politisches Klima herrscht.

Grüne treffen die FPÖ. Das Stuwerviertel in der Leopoldstadt liegt zwischen Praterstern und Donau. Seit jeher eher als raues Pflaster bekannt, entwickelten sich Teile der Region in den vergangenen Jahren in Richtung chic und modern. Auf der politischen Landkarte der Wien-Wahl 2015 ist die Region ein Meer aus Rot. Bis auf zwei Sprengel zwischen Venediger-Au-Park und Max-Winter-Platz. Bemerkenswert daran ist, dass hier Mehrheiten von Grünen und Freiheitlichen unmittelbar aneinandergrenzen, nur durch eine Straße getrennt sind.

Die zwei Häuserblocks mit der Grünen-Mehrheit bestehen aus großzügigen, renovierten Mehrparteienhäusern aus der Gründerzeit, teilweise mit Blick auf den Venediger-Au-Park. „Herrschaftswohnung“ nennt sie einer der Bewohner, ein Akademiker, von denen es dort viele gibt. „Mich hat es ganz und gar nicht überrascht, dass unser Sprengel grün ist“, sagt der Universitätsprofessor. „Hier ist das Bildungsbürgertum zu Hause. Gute Berufe, hohes Einkommen. Und Künstler leben auch hier. Sie haben zwar kein hohes Einkommen, wählen aber dennoch grün. Viele wohnen in Wohngemeinschaften.“

Die Wohnungen in diesen Häusern gehören zu den teuersten im Bezirk. Unter den Bewohnern sind seit einigen Jahren auch zahlreiche, gut situierte deutsche Staatsbürger, Bezirksvorsteher Karlheinz Hora spricht sogar von einer „deutschen Kolonie“, die mit einer Petition gegen die Vermarktung der nahe gelegenen Kaiserwiese „viel Lärm gemacht“ und dadurch Grünwähler mobilisiert habe.

Auf der anderen Seite der Wolfgang-Schmälzl-Gasse stehen zwar ebenfalls Gründerzeithäuser, sie sind aber in sichtbar schlechterem Zustand und daher auch deutlich günstiger. Als „Einheitshäuser“ bezeichnet sie der zuständige SP-Bezirksrat Helmut Brabec. Weswegen hier auch viel mehr jüngere Leute wohnen, die sich die Mieten leisten können. „Und Menschen mit einem eher niedrigen Bildungsniveau“, so Brabec.

In dieser Anlage befindet sich der Max-Winter-Park, in dem zumeist Kinder und Jugendliche aus Migrantenfamilien spielen bzw. Sport treiben. Anrainer beschweren sich regelmäßig über den Lärm. In der Anlage befindet sich auch ein Laufhaus. „Es ist zwar ein eher unauffälliges Laufhaus, gehört aber dennoch nicht in so einen Block“, beschwert sich eine Nachbarin, ihres Zeichens FPÖ-Wählerin. „Bei manchen Gestalten, die hier ein und aus gehen, hat man kein sicheres Gefühl. Das gehört unterbunden.“

Man könnte auch sagen: Der Sprengel mit FPÖ-Mehrheit ist mit dem Unbill des Rotlichtbetriebs, der sich vor allem auf Stuwer-, Wohlmut- und Obermüllnerstraße konzentriert, unmittelbarer konfrontiert. Um Anrainern eine Anlaufstelle zu bieten, hat der SP-dominierte Magistrat direkt am Max-Winter-Platz eine Filiale der Gebietsbetreuung installiert. Genützt hat es offenbar nicht.

Allerdings darf man die politischen Differenzen der beiden ungleichen Sprengel auch nicht überbewerten. Dort, wo die Grünen dominieren (31Prozent), sind die Freiheitlichen mit 25 Prozent nicht weit dahinter. Im FPÖ Sprengel ist es mit 29 zu 26 Prozent ähnlich knapp. Und ungewöhnlich.
Freiheitliche Regimenter. Lange galt die bürgerliche Festung im Norden Wiens als uneinnehmbar. Hier erzielte die ÖVP Werte von 40 Prozent und mehr. Das scheint nun vorbei. Unterhalb des Cobenzls, dort, wo schöne, zum Teil auch die teuersten Villen der Stadt stehen, werden Döblings Regimenter nun mehrheitlich von FPÖ-Wählern beschickt. Zumindest hier ist der Nimbus der Arbeiterpartei nichts wert. Im gesamten Sprengel steht kein einziger Gemeindebau. Auch andere Indikatoren weisen darauf hin, dass die Freiheitlichen hier ihre Fühler weit in die Mittel- und Oberschicht ausgestreckt haben. Fast 60 Prozent der Erwachsenen im Erwerbsalter haben wenigstens Matura. Im Wien-Schnitt sind es 40 Prozent. Und die, die nicht selbstständig, sondern angestellt sind, verdienen so gut wie fast nirgendwo sonst in Österreich (noch höher sind die Einkommen nur in der Inneren Stadt und in Hietzing).

Doch wie im Grünen-Sprengel in der Leopoldstadt steht auch die FPÖ-Mehrheit (26 Prozent) hier auf wackeligen Beinen. Auf den Plätzen: ÖVP (25) und SPÖ (22).
Schwarze Trutzburgen. In Hietzing hat die einst so starke ÖVP in ihren stärksten Sprengeln fast die Hälfte der Wähler an die Neos verloren. Pink ist dort das neue Schwarz. Zwei Trutzburgen sind der VP jedoch geblieben: eine in Ober St. Veit, die andere zwischen Hietzinger Hauptstraße und Lainzer Straße. Bemerkenswert ist, dass das genau jene Sprengel in der Umgebung sind, die keinen Gemeindebau umfassen. Und in den Gemeindebauten fand tatsächlich der Wettstreit zwischen SPÖ und FPÖ statt, blieb die ÖVP auf der Strecke.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.10.2015)

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