Bionik. Roboter, die Fischen, Seerosen und Muscheln nachempfunden sind, sollen in Venedig unter Wasser Daten sammeln: Sie organisieren sich selbst, schwimmen ohne Fernsteuerung und liefern ein genaues Ökomonitoring.
„Im Vorgängerprojekt sind unsere Roboter im Pool geschwommen“, sagt Thomas Schmickl, Leiter des Artificial Life Lab der Uni Graz. „Für den nächsten Schritt kann man nicht gleich in den Atlantik gehen.“ Besser sei, den Schwarm von fischähnlichen Robotern in einer Meeresbucht zu erforschen. „Eine ganz besondere Bucht ist Venedig“, so Schmickl. Das trübe Wasser ist ideal, um Kommunikation bei schlechter Sicht zu testen. Die labyrinthartigen Kanäle eignen sich bestens, um kognitive Fähigkeiten des Roboterschwarms zu erkunden – ähnlich wie man Mäuse im Labyrinth untersucht.
So setzte sich das Konsortium aus Graz, Italien, Kroatien, Frankreich, Deutschland und Belgien mit Forschern in Venedig zusammen und bald wurde das EU-Projekt SubCULTron genehmigt, mit einem Budget von vier Millionen Euro (bis 2019). Ziel ist ein intelligenter Schwarm von 120 Robotern, die im Wasser von Venedig Daten sammeln: ohne Leitzentrale, autonom und selbst organisiert. Sei es für biologische Zwecke, um herauszufinden, wie der natürliche Fischbestand in künstliche Muschelzuchten zurückkehrt, oder um den Einfluss von Industrie, Tourismus und Einwohner auf die Wasserqualität zu bestimmen.
Auch Unterwassertechnologien für ein Monitoring im Meer stehen im Fokus. Die drei notwendigen Robotertypen existieren bisher nur auf dem Papier, aber Schmickl verrät, was sie können sollen. „An der Oberfläche schwimmen fünf Plattformen, die – wie Seerosen ihre Blätter – die Solarpaneele nach der Sonne ausrichten und untereinander kommunizieren.“ Die aPads dienen als Dockingstation, wo Energie aufgeladen und Daten von unter Wasser an das Labor geschickt werden können. Andocken soll dort der aFish (artificial Fish), der bis zu 15 Meter tief tauchen kann. „Dementsprechend robust gegen Wasserdruck und Strömung sollen die Geräte sein.“
Kommunizieren über Licht
Herzstück und völlig neu in der Wissenschaft sind die aMussels (artificial Mussels), die wie Muscheln fix auf dem Meeresgrund sitzen, sich aber auch lösen können, um an die Oberfläche kommen. „Sie bilden ein Sensornetzwerk, das selbstständig auf Veränderungen reagieren und den Ort wechseln kann und selbst entscheidet, welche Informationen notwendig sind“.
Energie sollen die Unterwasserroboter entweder vom Solarpaneel der Dockingstation bekommen oder auch von der Strömung auf dem Meeresboden. Kommuniziert wird entweder über Lichttechnologien, wenn das Wasser klar ist, über elektrischen Sinn in trübem Wasser oder akustisch. Einen ersten Einblick in das Projekt und die Roboter gab es diese Woche bei der Expo 2015 direkt in Venedig.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.10.2015)