London: Herbststurm auf die Kunst im Zelt

A visitor looks at 'The Visitor' by Allen Jones at the Frieze Art Fair in London, Britain
A visitor looks at 'The Visitor' by Allen Jones at the Frieze Art Fair in London, BritainREUTERS
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Hier ist, wer auf dem Kunstmarkt etwas gilt: Um die Frieze-Kunstmesse besuchen zu können, muss man lang Schlange stehen – oder einen rosa VIP-Pass haben. Hier wird hoch gepokert, investiert, sich informiert.

Im November 2014 brachte ein Bild von Martin Kippenberger im Wiener Dorotheum 873.000 Euro. Geschätzt war es auf 280.000 bis 350.000. Nicht einmal ein Jahr später hängt es jetzt am Stand der New Yorker Galerie Skarstedt auf der Londoner Kunstmesse Frieze Masters. Aktueller Preis: 2,8 Millionen Dollar.

Solch eine Verdreifachung des Preises erzeugt jenes Versprechen, das den Handel mit zeitgenössischer Kunst so schnell wachsen lässt – und das war heuer ganz besonders bei der Londoner Frieze zu beobachten. 2003 von den Herausgebern der gleichnamigen Kunstzeitschrift gegründet, gilt die in einem Zelt im Regent's Park untergebrachte Messe als wichtigster Herbsttermin des Markts und wird mittlerweile regelrecht gestürmt. Schon eine halbe Stunde vor Eröffnung bildeten sich lange Schlangen, obwohl zunächst nur die als besonders kauffreudig eingestuften Inhaber der rosa VIP-Karten eingelassen wurden. Innerhalb kürzester Zeit war das Zelt übervoll, vor allem die für ihre Bluechip-Künstler bekannten Galerien kamen mit dem Beantworten der Nachfragen kaum nach.

Bei Thaddaeus Ropac (Salzburg, Paris) fand schnell ein großes Diptychon von Robert Longo für 650.000 Dollar einen Käufer und Hauser& Wirth verkauften aus ihrem kleinen Skulpturenpark am Stand schon in den ersten beiden Stunden Werke von Isa Genzken und Phyllida Barlow.

Offener als auf jeder anderen Messe. 165 Galerien aus 30 Ländern nahmen heuer teil, und bei keiner anderen Messe legen die Teilnehmer ihr Programm derart international wie in London an. Das spiegelte sich auch am Stand der Wiener Galerie Krinzinger wider, bei dem Werke aus Pakistan (Waqas Khan), Saudiarabien (Abdulnassar Gharem), Libanon (Alfred Tarazi), England (Gavin Turk) und Österreich (Martha Jungwirth) bewiesen, wie global der Kunstbetrieb heute ist. In London seien die Besucher offener als auf jeder anderen Messe, erklärte Thomas Krinzinger das große Interesse. Das bemerkte auch Emanuel Layr (Wien), dessen ganz in Blau gehaltener Solostand mit Werken des slowakischen Konzeptkünstlers Stano Filko ein Besuchermagnet war.

Während sich die Besucher im Zelt für Zeitgenössisches auf der Jagd nach Investitionen und Sensationen durch die Gänge drängelten, herrschte bei dem Ableger Frieze Masters konzentrierte Ruhe. 2012 eingeführt, ist das Zelt gut 20 Minuten Fußweg durch den Park entfernt. Hier treffen an den Ständen von 131Galerien Alte Meister, Kunst der Antike und des 20. Jahrhunderts aufeinander. Großes Interesse erweckten die Zeichnungen von Klimt, Kokoschka und Schiele bei Wienerroither & Kohlbacher (Wien).

Der absolute Hit aber waren die Gemeinschaftsstände, die Historisches neben Zeitgenössischem präsentierten. Manches war thematisch arrangiert wie die Renaissance-Madonna neben Marlene Dumas' „Magdalena“ (Moretti Gallery, Hauser & Wirth), anderes kontrastreich wie die abstrakten Linienbilder von Bridget Riley neben wunderbaren, antiken Büsten (Karsten Schubert, Tomasso Brothers Fine Art) – ein perfektes Modell, für beide Bereiche neue Käufer zu interessieren. Zwischen all den Meistern verschiedener Zeiten kann man auch viele ältere Positionen wiederentdecken, wie den 1933 geborenen Afroamerikaner Sam Gilliam mit seiner frühen, experimentellen Malerei (Kordansky Gallery).

Spezialmesse für afrikanische Kunst. Preislich liegen die meisten Werke auf in den Frieze-Zelten im sechsstelligen Bereich. Wer bei dreistelligen Preisen einsteigen möchte, kommt bei den vielen Parallelmessen besser zurecht. Die spannendste darunter ist die auf afrikanische Kunst spezialisierte 1:54 – der Name referiert die 54Nationen des Kontinents. An der dritten Ausgabe heuer im Somerset House nehmen 38 Galerien mit über 150 Künstlern teil – eine Reise in eine andere Bildwelt! Die Preise beginnen bei 500 Euro für die grellbunten Schattenfotografien von Saidou Dicko aus Burkina Faso (Artco Gallery), der sich den „Schattendieb“ nennt. Paulo Kapela (Angola) schafft ungewohnt wilde Collagen, Ndidi Emefiele (England) setzt kleine CD-Scheiben als Augen ein. Immer wieder sieht man Wandtextilien, Handwerk kommt hier ein großer Stellenwert zu – eine Tendenz, die man auch bei der Frieze beobachten kann. Wer nach Entdeckungen sucht und eher langfristig investieren möchte, ist jedenfalls bei 1:54 besser aufgehoben – denn der nächste Hotspot des Kunstbetriebs ist Afrika.

Die Brit-Fair

Sieben Galerien aus Österreich

Rund 300 Galerien nehmen an den beiden Londoner Messen Frieze und Frieze Masters teil, aus Österreich kommen heuer Martin Janda, Meyer Kainer, Georg Kargl, Krinzinger, Emanuel Layr, Thaddaeus Ropac sowie Wienerroither Kohlbacher.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.10.2015)

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