China: Nervöses Treiben vor Mao-Mausoleum

(c) AP (Kin Cheung)
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Der Platz des Himmlischen Friedens in Peking wurde zum 20. Jahrestag des Massakers von der Polizei streng überwacht. Dissidenten durften erst gar nicht außer Haus.

PEKING. Am 20. Jahrestag des Tian'anmen-Massakers herrschte am Donnerstag nervöses Treiben auf dem Platz des Himmlischen Friedens. Chinesische Touristengruppen zogen über das riesige Areal zwischen dem Kaiserpalast und dem Mao-Mausoleum. Um Demonstrationen im Keim zu ersticken, beobachteten Hunderte von Polizisten in Uniform und Zivil die Menge. Ein Kommandowagen mit hohen Antennen stand an der Mauer zur Verbotenen Stadt.

An den Zugängen des Platzes wurden die Taschen der Besucher kontrolliert. Beamte wiesen mehrere ausländische Journalisten ab und verhörten verdächtig wirkende Chinesen.

Dissidenten im Ausland hatten dazu aufgerufen, als Zeichen der Trauer weiße oder schwarze Kleidung zu tragen. Das scheint nicht durchgedrungen zu sein, die meisten Passanten trugen farbige Hemden und T-Shirts. Zur Verstärkung der Polizei waren in vielen Straßen Bewohner mit roten Armbinden als „Freiwillige Ordner“ postiert.

Die chinesischsprachigen Medien ignorierten den Jahrestag. Das englischsprachige KP-Organ „Global Times“ veröffentlichte zwar einen Artikel über den „Zwischenfall“ am 4. Juni 1989. Allerdings richtet sich das Blatt an ausländische Leser. „Die Chinesen, vor allem die jungen, sind politisch apathischer geworden“, bilanziert das Blatt. „Bildung, Krankenversicherung und Beschäftigung gehören heute zu den Prioritäten.“

Internetseiten blockiert

Die Behörden zwangen über 60 chinesische Bürgerrechtler, Anwälte und Aktivisten von 1989, an diesem Tag zu Hause zu bleiben oder die Stadt zu verlassen. Einige wurden verhaftet, wie Menschenrechtsorganisationen berichten. Internetzensoren blockierten zahlreiche Webseiten und Diskussionsforen. Wer etwa bei YouTube Videos von 1989 sehen wollte, scheiterte. Die Fotoseite Flickr war ebenfalls gesperrt. Die Blockade funktionierte aber nicht lückenlos: Ausländische Webseiten, wie etwa jene der BBC, waren zu öffnen.

Einer der Wortführer der Studenten von 1989, Wuer Kaixi, versuchte vergeblich, nach Peking zu reisen. Der heute 41-Jährige war vor 20 Jahren ins Exil geflüchtet und lebt heute in Taiwan. Sein Versuch, am Mittwoch in seine Heimat zurückzukehren, scheiterte bereits am Flughafen. Auch die Hongkonger Grenzbehörden wiesen einige Aktivisten von damals zurück.

Anders als auf dem chinesischen Festland durften sich die Bewohner der früheren britischen Kolonie Hongkong zu Gedenkveranstaltungen versammeln. Hongkong ist seit 1997 wieder Teil der Volksrepublik China, besitzt aber nach wie vor Presse- und Versammlungsfreiheit. Wie jedes Jahr am Abend des 4. Juni versammelten sich dort Zehntausende zu einer Kundgebung im Victoria-Park.

Scharf reagierten Chinas Funktionäre auf Aufrufe aus dem Ausland, die Wahrheit über die Ereignisse von 1989 nicht mehr zu unterdrücken. Peking sei „sehr unzufrieden“ mit den „grundlosen Anschuldigungen“, erklärte ein Außenamtssprecher. US-Außenministerin Hillary Clinton hatte zuvor gefordert, die Namen der Getöteten und Verschwundenen zu veröffentlichen und die restlichen Gefangenen freizulassen. Die US-Menschenrechtsorganisation Duihua schätzt, dass noch 30 Tian'anmen-Aktivisten hinter Gittern sitzen.

„Nicht länger wegducken“

Taiwans Präsident Ma Ying-jeou ermunterte Peking, „dieser schmerzhaften Periode der Geschichte mutig ins Gesicht zu sehen und sich nicht wegzuducken“. Ma gehörte zu den wenigen, die das Massaker verurteilten.

HINTERGRUND

In der Nacht zum 4. Juni 1989 gingen am Pekinger Platz des Himmlischen Friedens rund 150.000 Soldaten gegen die protestierenden Studenten vor. Laut offiziellen Angaben starben 241 Menschen, Schätzungen gehen aber von tausenden aus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.06.2009)

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