Deutschland: Die Wiederauferstehung der Pegida

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Die Flüchtlingskrise spielt der islamfeindlichen Pegida-Bewegung in die Hände. Die Bewegung war schon totgesagt, doch nun zelebrierte sie ihren ersten Jahrestag.

Berlin. Ein Galgen für Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel, noch einer für ihren Vize Sigmar Gabriel. Morddrohungen gegen den ermittelnden Staatsanwalt. Eine Tracht Prügel für die Journalisten von der „Lügenpresse“. Dann wäre da noch die Forderung nach einem sofortigen Aussetzen des Schengen-Abkommens, Massenabschiebungen und die Ansicht, Politiker würden sich wie „Hochverräter“ verhalten.

Für all das steht die islamfeindliche Pegida-Bewegung. Die Flüchtlingskrise spielte den „Patriotischen Europäern gegen die Islamisierung des Abendlandes“ zuletzt verstärkt in die Hände. Am Montagabend zelebrierte die Organisation in Dresden ihr einjähriges Bestehen – und Anhänger und Gegner kamen in Scharen in die Dresdner Innenstadt rund um Semperoper, Zwinger und Frauenkirche. Die Montagsdemo mobilisierte, strikt voneinander separiert, bis zu 20.000 Pegida-Sympathisanten und rund 15.000 Anti-Pegida-Demonstranten, am Rande kam es vereinzelt zu Rangeleien. „Merkel muss weg“, „Volksverräter“, skandierten die Pegida-Fans, angestachelt von ihrem Führer Stefan Bachmann. Bei Auseinandersetzungen zwischen Pegida-Anhängern und Gegendemonstranten ist ein Mann schwer verletzt worden. Auch die Polizei kam nicht ungeschoren davon. Als diese versuchte, eine Demonstration von Pegida-Gegnern zurückzudrängen, wurde sie von hinten mit Pyrotechnik angegriffen, wie dpa-Reporter beobachteten. Mehrere Böller wurden auf Polizisten geworfen. 

Rechtsextreme Tendenzen

Es sind nicht nur konservative Bürger, die sich bei Pegida gut aufgehoben fühlen. Auch jene mit rechtsextremen Tendenzen haben sich längst unter das Publikum gemischt. Ein Teil der Bürger lasse sich von den etablierten Parteien wohl noch zurückgewinnen, sagt Politikwissenschaftler Timo Lochocki kürzlich vor ausländischen Journalisten in Berlin. Andere hätten den Verfassungskonsens aber schon verlassen. Dass beide nun Seite an Seite marschieren, erklärt der Experte mit der aufgestauten Frustration in Teilen der Bevölkerung. Das zentrale Problem seien die Neonazis aber nicht, sagt Lochocki, wenngleich sie „hochbedrohlich“ seien, sondern die Zustimmung von Bürgern aus der deutschen Mittelschicht, die früher Union oder Linkspartei gewählt hätten. „Die Politiker machen oft das Gegenteil von dem, was sie sagen. Daher gibt es einen Zulauf.“

Dem Politikwissenschaftler zufolge steht und fällt die Bewegung mit der Entwicklung in der Asyldebatte. Gelinge es den konservativen Parteien, die frustrierten Bürger wieder hinter sich zu vereinen, könne man der Bewegung den Wind aus den Segeln nehmen. So wie dies bei der Eurokrise der Fall gewesen sei. Damals sei die Haltung der Union klar gewesen, was unmittelbar in einer fallenden Zustimmung für Pegida zum Ausdruck gekommen sei.

In der Flüchtlingsfrage aber vertrete die Regierung Positionen, wie sie in anderen Ländern von den Grünen geäußert würden. Das nähre das Gefühl, dass es keine konservative Partei mehr gebe und die „Nation ausverkauft“ wird. „Die Bürger glauben, von den etablierten Parteien nicht mehr repräsentiert zu werden.“ Daher müssten die Verantwortlichen Ergebnisse liefern, so Lochocki. „Die Menschen müssen das Gefühl haben, dass die Regierung die Lage unter Kontrolle hat und die Sorgen bei ihr gut aufgehoben sind.“

Hochburg Dresden

Auch wenn Pegida zurzeit vor allem in Dresden auf die Straße geht, seien ihre Sympathisanten überall. Lochockis Einschätzung zufolge greift die Bewegung die Stimmung von 20 bis 30 Prozent der deutschen Bevölkerung auf. Erst kürzlich protestierten 8000 Anhänger der rechtspopulistischen AfD in Erfurt gegen die Flüchtlingspolitik.

Dass Pegida überhaupt so erfolgreich werden konnte, schreiben manche Experten der mangelnden Abgrenzung der in Sachsen seit mehr als zwei Jahrzehnten regierenden CDU zu, die als sehr konservativ gilt. In der Vergangenheit habe es einigen politisch Verantwortlichen zudem an der passenden Wortwahl gemangelt, als sie Pegida-Befürworter lediglich als Asylkritiker bezeichnet hätten. Damit habe man fremdenfeindliche Träger erst salonfähig gemacht, wie Sozialwissenschaftler Alexander Häusler vor einiger Zeit in der „Presse“ kritisierte.

Pegida wurde im Herbst des Vorjahres von Lutz Bachmann gegründet. Via Facebook startete er einen Aufruf gegen die „Islamisierung des Abendlandes“. Sprach er zunächst „nur“ einige tausend Bürger an, gingen Anfang Jänner bereits 25.000 Menschen auf die Straße. Im sozialen Netzwerk Facebook gefällt Pegida inzwischen mehr als 170.000 Menschen.

Fotos des 42-jährigen Bachmann im Hitler-Look zwangen diesen zu Jahresbeginn zum Rückzug. Kurz darauf traten weitere Führungsmitglieder ab, die Bewegung schien vor dem Zerfall. Es sollte jedoch nur wenige Wochen dauern, bis Bachmann wieder an der Spitze stand. Erst vor Kurzem erhob die Staatsanwalt Dresden Anklage gegen ihn. Sie wirft ihm Volksverhetzung vor, da er Kriegsflüchtlinge und Asylbewerber unter anderem als „Gelumpe“ und „Viehzeug“ beschimpft habe. Bachmann geriet im Laufe seines Lebens immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt. „Das scheint ihm aber eher zu nutzen“, sagt Lochocki.

Anmerkung der Redaktion:

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.10.2015)

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