Privatisieren ist eine gute Sache. Man sollte aber auch ein Konzept haben, das über Budgeterfordernisse und politische Machtspielchen hinausgeht.
Vor langer Zeit, im vorigen Jahrtausend, als noch alles seine rot-schwarze Proporzordnung hatte, schmiedete die SPÖ aus der Zentralsparkasse der Gemeinde Wien, der Länderbank und der etwas später im Handstreich genommenen Bank des Hochadels und des Großbürgertums, der CA, einen Bankenkonzern, der ihre Macht im Finanzbereich absichern und ein starkes Gegengewicht zum schwarzen Bankenblock (Raiffeisen, Volksbanken, Erste) bilden sollte.
Aber leider: Ein macht- und karrierebesessener Generaldirektor und ein hilflos agierender Miteigentümer namens Gemeinde Wien sorgten dafür, dass der rote Bankenblock (unter Irrsinnshaftungen der Gemeinde Wien von zunächst 122 Milliarden Euro, die aber glücklicherweise schon auf 6,7 Milliarden abgeschmolzen sind) zuerst bei der deutschen HVB und dann bei der italienischen UniCredit landete.
Wenn die zuletzt ein wenig finanzklammen Italiener, wonach es aussieht, ihre Umstrukturierungspläne wahr machen, dann bleibt von der großen roten Bankenbastion nur noch ein Minifragment. Genau genommen nicht viel mehr als eine Bewahrungsanstalt für die noch vorhandenen unkündbaren Bankbeamten aus der Zentralsparkassen-Zeit, die kein neuer Eigentümer übernehmen wird.
Und sollte tatsächlich die frühere ÖGB-Bank Bawag, die jetzt dem US-Fonds Cerberus gehört, als Käufer des Retailgeschäfts auftreten, dann erleben wir die politisch nicht unsüffisante Situation, dass praktisch alle Privatkunden der beiden früher roten Großbanken bei einer amerikanischen Finanz-Heuschrecke landen.
Ein politisches Desaster der Sonderklasse. Dass die Gemeinde Wien bzw. die von ihr gestiftete AVZ, die beim Verkauf mit HVB-Aktien bezahlt worden sind, damit auch noch einen Milliardenverlust hingelegt haben, ist das Sahnehäubchen auf dieser schwer verdaulichen Suppe.
Man soll jetzt aber nicht herumlamentieren: Die UniCredit ist Eigentümer der Bank Austria und kann damit selbstverständlich herumstrukturieren, wie sie will. Wenn sie jetzt also das ertragreiche Osteuropageschäft nach Italien holt und den Rest verklopft, dann ist das ihr gutes Recht. Würde jeder so machen.
Zumal ja mit dem Verkauf des BA-Retailgeschäfts, der zu einer Reihe von Filialschließungen führen wird, auch noch eine seit Jahrzehnten diskutierte und nie so wirklich in Angriff genommene Strukturbereinigung in Schwung kommt: Österreich gilt seit den Siebzigerjahren als overbanked. Dass diese Strukturbereinigung ausgerechnet mit dem möglichen Verschwinden der größten österreichischen Bank vom Retailmarkt einhergehen wird, ist schon ein etwas unerwarteter Spezialfall. Aber wie gesagt: Die Italiener machen nur von ihrem Eigentümerrecht Gebrauch. Hier gibt es also nichts zu sehen, gehen Sie bitte weiter.
Das Problem liegt auf einer anderen Ebene und ist nicht auf den Bankensektor beschränkt: Österreich hat Banken und große Staatsunternehmen in den Neunziger- und Nullerjahren richtigerweise privatisiert. Aber zu wenig darauf geschaut, dass Konzernzentralen, und damit Entscheidungsgewalt, im Land bleiben. Ein Beispiel, wie man das richtig macht, ist die Voestalpine, die von Linz aus den Weltstahlmarkt aufrollt. Negativbeispiele sind die Bank Austria, die demnächst wahrscheinlich zu Tode filetiert wird, und die AUA, deren deutscher Eigentümer aus einem ehemaligen heimischen Leitbetrieb mit hohen Qualitätsstandards einen x-beliebigen Billigflieger mit Minimalservice bastelt.
Dass es so weit gekommen ist, hat viele Ursachen: die mangelnde Industriegesinnung im Land, den politisch niedergehaltenen Kapitalmarkt, auf den Konzerne nun einmal angewiesen sind, den zu starken politischen Einfluss unbedarfter Politfunktionäre auf komplexe wirtschaftliche Entscheidungen.
Und jetzt haben wir eben den Salat. Und wir sehen: Privatisieren ist eine gute Sache, aber mehr als Familiensilber verklopfen. Man sollte dafür auch ein Konzept haben, das über Budgetbedürfnisse und politische Machtspielchen hinausgeht. Ein sehr schmerzhafter Lernprozess, den wir da gerade durchmachen.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.10.2015)