Österreich: Erdbeben in der Bankenszene

UniCredit unit Bank Austria Chief Executive  wipes his face as he passes a company logo before a news conference in Vienna
UniCredit unit Bank Austria Chief Executive wipes his face as he passes a company logo before a news conference in Vienna(c) REUTERS (HEINZ-PETER BADER)
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Die vom US-Hedgefonds kontrollierte Bawag will Teile der Bank Austria kaufen. Damit würde die Bawag im Privatkundengeschäft mit drei Millionen Kunden die Raiffeisen-Gruppe überholen.

Wien. Österreich ist overbanked. In kaum einem anderen Land gibt es so viele Bankfilialen wie in Österreich. Derzeit kommen rund 2000 Kunden auf eine Filiale. „Es sind aber 4000 bis 5000 Kunden notwendig, um eine Filiale wirtschaftlich betreiben zu können“, sagt Bank-Austria-Chef Willibald Cernko. Seit Beginn der Finanzkrise wird über eine Konsolidierung diskutiert. Zwar wurden verlustreiche Banken verkauft oder abgewickelt – wie die Kommunalkredit, das Volksbanken-Spitzeninstitut und die Hypo Alpe Adria. Doch diese waren kaum im österreichischen Privatkundengeschäft aktiv.

Nun soll ein großer Befreiungsschlag erfolgen. Die Initiative kommt ausgerechnet vom amerikanischen Hedgefonds Cerberus, dem die frühere Gewerkschaftsbank Bawag gehört. Cerberus verhandelt mit der italienischen UniCredit über eine Übernahme des Privatkundengeschäfts der Bank Austria. Damit könnte die Bawag die Zahl der Privatkunden auf drei Millionen verdoppeln. Das würde die österreichische Finanzszene auf den Kopf stellen. Die Bawag wäre dann bei Privatkunden sowie kleineren und mittleren Firmen größer als die Raiffeisen-Gruppe, die derzeit 2,86 Millionen Kunden betreut.

Das Versagen der Politik

Ein Zusammengehen der Bawag mit Teilen der Bank Austria ist wirtschaftlich nur sinnvoll, wenn es zu massiven Einsparungen kommt. Der Hedgefonds Cerberus hat es geschafft, aus der Bawag eine profitable Bank zu machen. Dazu gab es einen harten Sparkurs mit dem Abbau von hunderten Mitarbeitern. Kein Wunder, dass der Bank-Austria-Betriebsrat mit Kampfmaßnahmen droht, falls es tatsächlich zu einem Teilverkauf des Instituts an die Amerikaner kommt.

An dieser Entwicklung ist die österreichische Politik mitschuldig. Die Regierung hat die verlustreichen Banken wie Hypo und ÖVAG mit Milliardenhilfen viel zu lang am Leben erhalten und damit den Schaden vergrößert. Hinzu kommt die Bankensteuer, die in kaum einem europäischen Land so hoch ist wie in Österreich. Die Abgabe wurde nach Bekanntwerden der Probleme bei der Hypo Alpe Adria eingeführt. Die Regierung wollte erreichen, dass die gesunden Banken für das Desaster bei der Hypo mitzahlen. Sie nimmt damit aber in Kauf, dass die gesunden Institute geschwächt werden.

(C) DiePresse

Fast alle österreichischen Finanzinstitute machen im klassischen Privatkundengeschäft Verluste. Dies hängt mit dem niedrigen Zinsniveau und der Geldflut durch die Europäische Zentralbank zusammen. Im Vorjahr erwirtschafteten alle österreichischen Banken zusammen einen Gewinn von 1,4 Milliarden Euro. Der Profit stammt im Regelfall aus dem Geschäft mit vermögenden Privatkunden und Firmenkunden. Doch bei den Berechnungen ist die Bankensteuer zu berücksichtigen. Zuletzt zahlten die Institute pro Jahr rund 640 Millionen Euro.Künftig kommen noch weitere Kosten von 370 Millionen Euro durch den von der EU verlangten Abwicklungsfonds für marode Finanzinstitute hinzu. Das ergibt unter dem Strich eine Sonderbelastung von etwas mehr als einer Milliarde Euro.

Befürchtet wird ein massiver Jobabbau

Die Bank Austria gehört mit einer Bilanzsumme von rund 190 Milliarden Euro zu den führenden Instituten Österreichs. Das zum Verkauf stehende Privatkundengeschäft macht aber nur 20 Milliarden Euro aus. Der Osteuropa-Bereich mit einem Volumen von 70 bis 75 Milliarden Euro soll laut Informationen des „Standards“ zur UniCredit-Zentrale nach Mailand wandern. Die Bank Austria ist in Österreich Marktführer im Firmenkundengeschäft. Fast alle großen Konzerne haben eine Geschäftsverbindung zur Bank Austria. Dieser Bereich ist profitabel und steht daher nicht zum Verkauf.

Doch warum will der US-Fonds Cerberus das verlustreiche Privatkundengeschäft der Bank Austria übernehmen? Die Transaktion kommt nur zustande, wenn der Preis stimmt. Cerberus gilt als Schnäppchenjäger. Angeblich fordert UniCredit für die Bank-Austria-Sparte 700 bis 800 Millionen Euro. Doch das ist den Amerikanern zu hoch. Dem Vernehmen nach will Cerberus die Bank-Austria-Kunden möglichst geschenkt bekommen. Falls man sich einigt, stehen die Mitarbeiter der Bank Austria und der Bawag vor harten Zeiten. Es ist zu erwarten, dass tausende Mitarbeiter abgebaut und viele Filialen zusammengelegt werden.

Hinzu kommt eine weitere Phase der Unsicherheit. Denn der US-Hedgefonds Cerberus ist kein langfristiger Aktionär, sondern will nach dem Sparkurs Kasse machen. Cerberus könnte die mit Bank-Austria-Kunden aufgewertete Bawag an einen internationalen Finanzkonzern weiterverkaufen oder an die Börse bringen. Somit bleiben in Österreich nur drei große Bankengruppen übrig: Raiffeisen, Erste Bank/Sparkassen und eine mit vielen Unsicherheitsfaktoren verbundene Bawag-Gruppe.

AUF EINEN BLICK

Der US-Hedgefonds Cerberus will seine Macht auf dem Finanzsektor ausbauen. Dazu prüft Cerberus den Kauf von Teilen der Bank Austria. Diese sollen mit der Bawag verschmolzen werden. Die Folge wären massive Einsparungen bei Filialen und Mitarbeitern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.10.2015)

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