Steuerflucht: Stumpfe Waffen gegen Luxemburg

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STARBUCKSFILIALE TH�RINGEN 10 12 2014 Erfurt Die erste Starbucksfiliale in Th�ringen hat am 10 N(c) imago/Jacob Schr�ter (imago stock&people)
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Die EU-Kommission erklärt die Starbucks und Fiat gewährten Steuerdeals zu illegalen Beihilfen. Die zurückzuzahlenden Beträge sind mit 20 bis 30 Mio. Euro aber gering.

Wien/Brüssel. Groß war die Empörung, als zu Beginn des Jahres die Praktiken Luxemburgs an die breite Öffentlichkeit drangen: Die Steueroase lockte multinationale Konzerne mit individuellen Steuerdeals ins Großherzogtum und half ihnen so, fast keine Unternehmenssteuer zu zahlen. Die Enthüllungen von LuxLeaks setzten die EU-Kommission unter Zugzwang, solche Praktiken in allen Mitgliedstaaten zu unterbinden. Am Mittwoch hat Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager anscheinend geliefert: Die Tax Rulings, die Luxemburg der Finanztochter von Fiat und die Niederlande der US-Kaffeehauskette Starbucks gewährt haben, sind illegale Beihilfen. Die gesparten Steuern müssen die Firmen zurückzahlen. Untersuchungen zu Amazon (mit Luxemburg) und Apple (mit Irland) laufen noch, dürften aber nun zu ähnlichen Resultaten führen. Luxemburg hat solche Deals mit hunderten Konzernen abgeschlossen, von Pepsi bis Walt Disney. Die untersuchten Fälle sind also nur die Spitze des Eisbergs. Gerät das Geschäftsmodell des Zwergstaates dadurch ins Wanken?

Es sieht nicht danach aus, wenn man auf die Beträge blickt: Starbucks und Fiat müssen je 20 bis 30 Mio. Euro refundieren. Das zahlen die beiden Weltkonzerne aus der Portokasse. Und es steht wohl in keinem Verhältnis zu den Beträgen, die sie sich über drei Jahre (Fiat) oder sieben Jahre (Starbucks) erspart haben. Dabei können die Wettbewerbshüter in Brüssel durchaus kräftig austeilen: Ihre Kartellstrafen gehen bis in den Milliardenbereich. Aber bei Steuertricks scheinen ihre Waffen eher stumpf zu sein.

Warum? Zunächst: Über ihre Steuersätze und -vorteile entscheiden die einzelnen EU-Staaten, hier lassen sie sich nichts dreinreden. Deshalb hatte Brüssel den indirekten Hebel über wettbewerbsrechtliche Bedenken gegen Tax Rulings für Konzerne versucht. Solche Vorabentscheide sind aber üblich und per se nicht verwerflich. Sie sollen Firmen, die sich in einem Land ansiedeln wollen, eine Sicherheit geben, wie ihre Steuerlast berechnet wird. Spielräume gibt es bei internen Verrechnungspreisen zwischen Konzernfirmen (darum ging es bei Starbucks) oder bei der Berechnungsgrundlage (wie bei Fiat Finance, wo eine kleingerechnete Kapitalbasis besteuert wurde). Wettbewerbsverzerrung liegt aber nur vor, insoweit der Fiskus einzelne Firmen bevorzugt.

Gesucht: Ein selektiver Vorteil

Der Zauberwort ist also „selektiver Vorteil“. Er ist aber sehr schwer festzustellen. Am Beispiel Starbucks: Die holländische Tochter röstet den Kaffee für alle Europa-Filialen. Für das Röst-Know-how zahlt sie Lizenz an eine englische Konzerneinheit. Dass der Alki genannte Empfänger eine reine Briefkastenfirma ist, die wohl nichts tut, als diese Lizenzen in eine Steueroase weiterzuschleusen, ist offenbar an sich noch nicht „selektiv“ – andere (große) Firmen könnten das auch so konstruieren. Die Ermittler aus Brüssel mussten vielmehr nachweisen, dass die Lizenzgebühren zu hoch sind und der Fiskus sie in anderen Fällen als unerlaubte Verschiebung von Gewinnen verboten hätte.

Solange die Steuerbehörde allen vergleichbaren Firmen den gleichen tollen Vorteil gewährt, ist das noch immer nicht „selektiv“ – auch wenn es andere Länder noch so unfair finden. Freilich sind Produkte und Leistungen meist kaum vergleichbar – wie viele Firmen verrechnen schon Röstlizenzen? Also musste Brüssel alternativ marktkonforme Preise suchen. Und erst hier wurde man fündig: Starbucks hatte externen Röstern nämlich gar keine Lizenz verrechnet. Das Beispiel zeigt, wie schwierig es ist, im Einzelfall eine unfaire Bevorzugung nachzuweisen, die sich dann als unerlaubte Beihilfe bestrafen lässt. Zudem zeigen Vestagers Kommentare: Ihr Team war in der Bewertung besonders vorsichtig. Die ersten beiden Entscheide mussten juristisch wasserdicht sein, auf keinen Fall sollen Klagen der Unternehmen sie zu Fall bringen. Heraus kam ein Achtungserfolg – aber keine scharfe Waffe gegen die Steuerflucht von Konzernen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.10.2015)

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