Gault Millau: "Netz, Netz, Netz" und Netzwerken

Karl und Martina Hohenlohe
Karl und Martina HohenloheDie Presse (Clemens Fabry)
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Martina und Karl Hohenlohe übernehmen den Gault Millau vom Kurier. Soeben ist der neue Guide erschienen: An der Spitze steigt das Niveau.

Wien. „Tausendzweihundertsechzehn Fotos, so viele Gerichte habe ich heuer gegessen.“ Mal x Kalorien ist gleich – Martina Hohenlohe scheint sich diesbezüglich keine großen Sorgen zu machen und bestellt im Café Tirolerhof eine zweite Gulaschsuppe. „Mein Mann hat meine aufgegessen“ , sagt sie erklärend zum Kellner. „Petze“, schießt Karl Hohenlohe bubenhaft charmant zurück. Das Ehepaar Hohenlohe ist seit Juni alleinverantwortlich für den Restaurantführer Gault Millau in Österreich, Slowenien, Südtirol und Kroatien. „Wir haben im Juni den Lizenzvertrag unterschrieben und uns vom Kurier gelöst, stehen wirtschaftlich auf eigenen Beinen. Das hat uns kurz ein bisschen Angst gemacht, aber wir freuen uns wahnsinnig auf die vielen Möglichkeiten, dynamischer zu agieren“, sagt Chefredakteurin Martina Hohenlohe einen Tag vor der Präsentation des Guides für 2016. „Wir haben viel vor, es wird sich einiges ändern.“

„International ist ganz wichtig“, wirft Karl Hohenlohe ein, nachdem er sein eigenes Paar Würstel und die Gulaschsuppe seiner Frau aufgegessen und schon vorsorglich nach der Mehlspeisenvitrine geschielt hat. Auch das Gault-Millau-Hauptquartier in Frankreich wird viel stärker international agieren, berichtet er. Es sind Länder dazugekommen, Russland ist in Verhandlung, die Emirate, die USA. „Japan kommt fix“, sagt Martina Hohenlohe, „Polen gibt es seit einem Jahr, mit einer unglaublich interessanten Szene.“ Das interne Gault-Millau-Netzwerk wollen die beiden in Zukunft viel mehr nützen. „Wir haben zum Beispiel unseren Koch des Jahres, Konstantin Filippou, in die Welt hinausgeschickt.“ Als Presseaussendung, nicht in natura, denn dieser erfreut sich seither verstärkt internationaler Anfragen.

Drei Vierhauber im Jahr der Erbse

„Mit dem verstärkten internationalen Netzwerken wird auch das Ansehen unserer Haubenköche gefördert“, meint Martina Hohenlohe. Wer diese sind, wurde Mittwoch Abend im Dorotheum präsentiert: Vier Hauben haben weiterhin die Brüder Rudolf und Karl Obauer, Heinz Reitbauer mit dem Steirereck und Simon Taxacher mit dem Restaurant Rosengarten. Neun Köche (kein Binnen-I notwendig) wurden mit je drei Hauben und 18 Punkten ausgezeichnet. Das Binnen-I ist ab 17 Punkten sinnvoll, hier steigt Johanna Maier ein. Der Newcomer des Jahres – eine der neuen Kategorien von Hohenlohes Gault Millau – ist Fabian Günzel im Das Loft im Wiener Sofitel; der ehemalige Sous-Chef von Silvio Nickol steigt mit 16 Punkten und zwei Hauben ein.

Im nächsten Jahr, prognostizieren Karl und Martina Hohenlohe, könnte es im Vier-Hauben-Bereich durchaus Bewegung geben: „Die Dreihauber geben wirklich Gas, da stehen einige in der Pole Position für die vierte Haube.“ Extrem beeindruckt zeigt sich Martina Hohenlohe heuer etwa von Thomas Dorfer im Landhaus Bacher, von Andreas Döllerer oder Harald Irka in der Sazianistub'n, der von 17 auf 18 Punkte aufgestiegen ist. „Tom Riederer ist sehr interessant, Alain Weissgerber – Wahnsinn, sehr spannend. Das wird dann eine schwierige Wahl werden, es sind wirklich nur Nuancen, die die Köche voneinander unterscheiden.“ Welche Gemeinsamkeiten bei Zutaten oder Technik habe sie heuer beobachten können? „Es war das Jahr der Erbse.“

Die Kernkompetenz wird weiterhin die Restaurantkritik und das Dokumentieren (beziehungsweise, so meinen Kritiker, auch das Vorgeben) von Trends sein, auch mit der neuen App. „Da ist die Kernfunktion: Ich stehe jetzt hier – wo ist das nächste gute Restaurant?“ Aber die Marke Gault Millau sei so stark, dass sie auch als Gütesiegel in anderen Bereichen funktioniert, glaubt Martina Hohenlohe.

Man möchte also auch Produkttests anbieten oder Veranstaltungen wie Weinverkostungen für Unternehmen, etwa unlängst für Lidl zum Thema Bordeaux. Semmelverkostungen für den Ehemann befürwortet Hohenlohe indes weniger, „ich habe meine Semmel jetzt hierher gestellt, damit ich sie für mich habe“, sagt sie mit eindringlichem Blick gen Gatten. Die Gault-Millau-Herausgeber sind sich eines Problems bewusst: „Die Marke ist stark, aber das Medium Buch ist alt“, sagt sie, worauf er sich nach vorn beugt und dem nunmehr ganz nahen Mikrofon auf dem Tisch eindringlich diktiert: „Netz, Netz, Netz“.

Auf einen Blick

„Gault Millau 2016“. Keine Änderungen gibt es ganz an der Spitze, hier sind weiterhin drei Vierhauber angeführt: die Brüder Obauer, Heinz Reitbauer mit dem Steirereck und Simon Taxacher mit dem Rosengarten. Neun Köche haben je 18 Punkte und drei Hauben. Koch des Jahres ist, das wurde schon vor Wochen präsentiert, Konstantin Filippou, Newcomer des Jahres Fabian Günzel im Das Loft.

Den Titel Patissier des Jahres trägt Thomas Scheiblhofer im Tian, jenen des Sommelier des Jahres Hermann Botolen, nach dem Dombeisl derzeit ohne Lokal. Christian Petz steigt mit seinem Wirtshaus bei 16 Punkten und zwei Hauben ein. Der „Gault Millau 2016“ ist ab sofort im Handel.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.10.2015)

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