Ukraine: Votum über Kiews Performance

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UKRAINE LOCAL ELECTIONS(c) APA/EPA/SERGEY DOLZHENKO (SERGEY DOLZHENKO)
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Lokalwahl am Sonntag gleicht einer Abstimmung über die Regierungspolitik. Opposition erhöht den Druck auf Präsidentenlager.

Kiew. Fast könnte man meinen, in der Ukraine wird abermals ein neues Parlament gewählt. Kiew ist mit Plakaten der wahlwerbenden Parteien zugepflastert. Auf den Billboards geht es um das große Ganze: Eine fähige, kampfstarke Berufsarmee müsse her, fordert das Parteiprojekt des Dnjepropetrowsker Oligarchen Ihor Kolomojskij, „Ukrop“. Wörtlich bedeutet der Parteiname „Dill“ und ist eine ins Positiv-Patriotische gewendete, ursprünglich abwertende Bezeichnung für Ukrainer, die der Konflikt im Donbass hervorgebracht hat. Der „Oppositionsblock“, Nachfolgepartei der untergegangenen „Partei der Regionen“ von Expräsident Viktor Janukowitsch, fordert dagegen eine echte Bekämpfung der grassierenden Korruption. Für Frieden und Stabilität wirbt wiederum der „Solidarnist“, Partei von Petro Poroschenko, der sich Vitali Klitschkos „Udar“ sowie Premier Arsenij Jazenjuk angeschlossen haben.

Die Kommunalwahl am Sonntag, in der rund 30 Millionen Menschen neue Regionalparlamente, Stadt- und Gemeinderäte bestimmen werden, wirkt wie eine Abstimmung über die bisherige Politik von Regierung und Präsident. „Parlamentsopposition und Oligarchen versuchen, die Kampagne als Misstrauensvotum gegen Poroschenko und die Regierung zu stilisieren“, erklärt Wolodymyr Gorbatsch, Analyst des Kiewer Instituts für Euro-Atlantische Zusammenarbeit. Im Wahlkampf dominierten indes Themen, „die man auf lokaler Ebene nicht lösen kann“, sagt der Politologe. Angesichts der noch immer angespannten Wirtschaftslage und des mäßigen Reformfortschritts hat das einst sehr hohe Rating des Präsidenten gelitten. Positiv verbuchen lässt sich hingegen, dass es im Donbass zuletzt zu einer Entspannung gekommen ist und die seit September geltende Feuerpause noch immer anhält.

Oligarchen greifen nach der Macht

Viele Umfragen prognostizieren ein gutes Abschneiden von „Solidarnist“, etwa in Kiew, wo Bürgermeister Vitali Klitschko erneut Stadtchef werden möchte und sich gegen zahlreiche Ein-Mann-Projekte durchsetzen dürfte. In anderen Regionen haben die Regierungskandidaten mit härterer Konkurrenz zu rechnen: etwa in Kolomojskijs Machtbasis Dnjepropetrowsk sowie den eher dem „Oppositionsblock“ zugeneigten südostukrainischen Bezirken wie Charkiw und Odessa. Manipulationen und Stimmenkauf wurden vor allem in Orten befürchtet, in denen die Konkurrenten gleichauf lagen.

Ein schlechtes Abschneiden des Regierungslagers könnte eine Regierungsumbildung oder gar vorgezogene Parlamentswahlen zur Folge haben. Ziel der ausgebooteten Industriemagnaten wie Kolomojskij oder Rinat Achmetow ist es, ihren Einfluss auf die ukrainische Politik wieder zu vergrößern. Die Lokalwahlen könnten ein Instrument dazu sein, meint Gorbatsch: „Die Oligarchen wollen das Parlament wieder kontrollieren.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.10.2015)

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