Beata Szydlo - der genialste Machtstreich Kaczynskis

Szydlo, Poland´s main opposition party Law and Justice candidate for prime minister in the upcoming parliamentary election flashes a victory sign during the party convention in Warsaw
Szydlo, Poland´s main opposition party Law and Justice candidate for prime minister in the upcoming parliamentary election flashes a victory sign during the party convention in Warsaw(c) REUTERS (AGENCJA GAZETA)
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Am Sonntag hat Beata Szydlo die rechtsnationale PiS-Partei zurück an die Regierung geführt. Die schärfste Rivalin war (Noch)-Premierministerin Kopacz.

Warschau. Wer ein kokettes Lächeln erwartete, sah sich beim TV-Duell zwischen Regierungschefin Ewa Kopacz und ihrer wahrscheinlichen Nachfolgerin, Beata Szydlo, enttäuscht. Steif und je im dunkelblauen Blazer reichten sich die Spitzenkandidatinnen die Hand und gingen dann zum Angriff über. Kopacz von der rechtsliberalen Bürgerplattform (PO) versuchte sich als tatkräftige Landesmutter zu präsentieren, Szydlo von der rechtsnationalen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) zeigte viel Herz für die Schwachen. „Mit schönen Statistiken kann keine Mutter eine Suppe kochen“, fauchte sie Kopacz an. Polens Staatsfernsehen bot ein Duell der Hausfrauen. Tags darauf maßen sich beide im TV mit der freundlich lächelnden Barbara Nowacka von der Vereinigten Linken. Das Fazit lautet: eins zu null für die 40-jährige Frauenrechtlerin.

Drei Frauen prägten seit Anfang Oktober Polens Wahlkampf. Die Umfragen führt Szydlos rechte Opposition PiS mit 33 Prozent an. Die PO holte zuletzt aber auf (26 Prozent). Vier, fünf Parteien müssen um den Einzug ins Parlament bangen. Die Hürde liegt bei fünf Prozent, für Koalitionen wie Nowackas Vereinigte Linke sogar bei acht. Scheitern sie alle, dürfte die PiS mit einem Drittel der Stimmen die absolute Mehrheit erringen.

Eine Skandalmeldung jagt die nächste

Der Grund für den Rechtsruck liegt in Ermüdungserscheinungen der seit acht Jahren regierenden PO. Trotz wirtschaftlicher Erfolge sind die Polen unzufrieden. Schuld ist ein Reformstau, der erst in den allerletzten Wochen vor der Wahl aufgebrochen wurde. Das brachte der 2001 von EU-Ratspräsident Donald Tusk gegründeten liberalen Sammelbewegung den Vorwurf ein, PR sei ihr wichtiger als das Wohl der 39 Mio. Polen. Dagegen stellte die PiS wie bereits 2005 ein von christlicher Ethik inspiriertes soziales Gewissen, das sich freilich nur auf Polen, nicht auf Flüchtlinge erstreckt. Die PO hat dazu auch die überraschende Niederlage Bronislaw Komorowskis bei den Präsidentenwahlen geschadet sowie die Abhöraffäre vom Sommer 2014, die fast jede Woche neue Skandalmeldungen provoziert. Vor Jahresfrist erkor Tusk Kopacz zu seiner Nachfolgerin. Ausdauernd und loyal, so wie sie zuvor drei Jahre immer an Tusks Seite war, brachte die Kinderärztin die Partei wieder in die Spur. Dass es am Ende nicht zum Wahlsieg gereicht hat, ist eher die Schuld ihrer männlichen Parteikollegen. Im Wahlkampf versucht die 68-Jährige auch mit der Angst vor der PiS und ihrer Unberechenbarkeit zu spielen: „Wenn die Staatskasse geplündert wird, können auch keine Renten mehr ausgezahlt werden.“

Kaczyiiskis genialster Machtstreich

Diese Warnungen wirken acht Jahre nach der Abwahl von Jaroslaw Kacziskis PiS kaum noch. Vergessen sind die Jagd auf vermeintliche kommunistische Agenten und korrupte Beamte, der ewige Streit mit Koalitionspartnern sowie die außenpolitische Dauerkonfrontation mit Berlin, Brüssel und Moskau. Das ist nicht zuletzt das Verdienst von Szydlo. Die 52-jährige Ethnologin und Kulturmanagerin aus Oswiecim (Auschwitz) mag kein gewinnendes Lächeln auf ihre Lippen zaubern können. Das Gesicht der PiS hat sie dennoch aufgehellt. Ihre Kür war der bisher genialste Machtstreich von PiS-Chef Kaczyński, dessen Zwillingsbruder Lech 2010 bei Smolensk mit dem Flugzeug abstürzte. Szydlo scheint dabei keine Ambitionen zu hegen. Sie gilt als Technokratin. Die lang unauffällige Ex-Bürgermeisterin der südpolnischen Grubenstadt Brzeszcze zählt zudem zu den gemäßigteren PiS-Abgeordneten, denen rechtskatholisches Sektierertum fern liegen. Bekannt wurde sie erst als Wahlkampfstabsleiterin für Andrzej Duda, den sie im Mai überraschend zum Sieger der Präsidentenwahl machte. Als Retterin der Linken dürfte sich Nowacka erweisen. In letzter Minute konnte sich diese zu einem Bündnis mit der linksliberalen Palikot-Bewegung und den Grünen überwinden. Nowacka kämpft für Abtreibung und Homo-Ehe. Ohne Unterstützung des Altherrenklubs um Ex-Premier Leszek Miller wäre sie aber nie in die Poleposition gekommen.

Die Politologin Anna Materska-Sosnowska von der Universität Warschau glaubt daher nicht an einen emanzipatorischen Aufbruch: „Alle drei (Spitzenkandidatinnen) dienen als Lückenbüßerinnen“, sagt sie. Und in einer PiS-Regierung würde Kaczyński sämtliche Entscheidungen absegnen. Ehe sie Szydlo als Regierungschefin bekannt machen dürfe.

DAMENWAHL

Beata Szydlo (52), PiS.

Die Ethnologin (l. im Bild) hat beste Chancen, Regierungschefin zu werden.

Ewa Kopacz (58), PO.

Die Ärztin brachte als Ministerpräsidentin die Liberalen zurück in die Spur.
Barbara Nowacka (40), Vereinigte Linke. Nowacka will mit ihrer Allianz die Acht-Prozent-Hürde nehmen. [ AFP(2), Imago ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.10.2015)

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