Wir sind am Limit

Warum wir radikale Innovationen brauchen und was die mit Designern zu tun haben.

Endlich! Die „Europäische Kommission“ beschäftigt sich mit Design: In einem Working Paper wird festgehalten, dass Unternehmen, die in Design investieren, profitabler und innovativer sind als solche, die Design vernachlässigen. Wirklich neu ist das nicht. Die im skandinavischen Raum entwickelte „Designleiter“ hat dies schon vor vier Jahren beschrieben. Hierzulande hat die departure GmbH die Entwicklung einer österreichischen Variante in Auftrag gegeben (2006). Apropos departure, die Förderstelle für Wiens Kreative: Radikale Innovationsvorhaben (also solche, die auf einem völlig neuen User-Nutzen basieren und dadurch neue, nicht umkämpfte Märkte erschließen) sucht man in der Liste der geförderten Projekte fast vergebens.

Aber: Brauchen wir überhaupt radikal Neues? Geht es uns nicht gut mit schnelleren, effizienteren Produkten? Nein. Wir sind am Limit. „Mehr vom Gleichen“ (P. Watzlawick) wird langfristig nicht zum „Überleben“ reichen. Der lechzende Wunsch nach Break-through-Innovationen muss von Podiumsdiskussionen zu den Organisationen hineingetragen werden. Wir werden in den nächsten Jahren, Jahrzehnten Innovationen sehen, die imstande sind, unterschiedlichste soziale Systeme (Schule, Politik, Ausbildung etc.) zu integrieren. Solche Systeme sind komplex und erfordern ein völlig neues Denken, das auf gegenseitige Wechselbeziehungen eingeht.

Was haben aber nun Designer und andere Kreative mit radikaler Innovation zu tun? Sehr viel. Denn die Prozesse, Arbeitsmittel und Denkmodelle, die diese Berufe – meist unbewusst – anwenden (wie Prototyping, Storyboards, eine „Sowohl als auch“-Herangehensweise etc.), sind genau darauf ausgerichtet, gänzlich Neues zu entdecken und zu explorieren. Im Gegensatz zur Geschäftswelt, wo aus einer existierenden Zahl an Möglichkeiten die „beste“ ausgewählt wird, gehen Kreative einen profunden Schritt weiter: Sie suchen nach völlig neuen Lösungen, die noch nicht da sind, weil sie bisher keiner gedacht hat. Der Flächenbrand der Wirtschaftskrise eröffnet nun den Raum, um radikal Neues zu denken und zu realisieren. Stellen wir Designern und Entrepreneuren diesen bereit und lassen uns überraschen.

Thomas Fundneider ist Gründer der Innovationsagenturen tf consulting (www.tfc.at) und theLivingCore (www.emergent-innovation.com). Er lehrt an der Johannes Kepler Universität in Linz.

diepresse.com/formsache

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.06.2009)

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